Projektmanagement: Ein Team von Mitarbeitern bei einer Besprechung
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Wie das Bundesverwaltungsamt seine OZG-Leistungen digitalisiert

Im Interview spricht der Leiter des Digitalisierungslabors im BVA Till Becker-Adam über Methoden, Corona und Wildschweinprojekte

Als zentraler Dienstleister des Bundes erfüllt das Bundesverwaltungsamt über 150 Aufgaben. Das Leistungsspektrum, das im Zuge des OZG digitalisiert wird, ist daher entsprechend breit. VdZ sprach mit dem Leiter des Digitalisierungslabors über die OZG-Vorhaben.

Das Bundesverwaltungsamt (BVA) ist der zentrale Dienstleister des Bundes und Anlaufstelle sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für Behörden und Unternehmen. Durch das Onlinezugangsgesetz sind neue Aufgaben hinzugekommen: Seit zwei Jahren arbeiten Digitalisierungskoordinatoren in allen Fachabteilungen, um die Kommunikation zwischen den Abteilungen, den Digitalisierungsbereichen und der IT zu erleichtern. VdZ sprach mit dem Leiter des Digitalisierungslabors, Till Becker-Adam, darüber wie das BVA die OZG-Umsetzung angeht. 

Herr Becker-Adam, an welchen OZG-Leistungen arbeitet das Bundesverwaltungsamt?

Das BVA setzt insgesamt 18 OZG-Leistungen, die aus zahlreichen Leika-Leistungen bestehen, um. Die OZG-Leistungen sind Leistungsbündel, hinter den Leika-Leistungen steht jeweils ein Formular. Wir arbeiten zum Beispiel am Online-Antrag auf Berechtigungszertifikate für die eID, also für den elektronischen Personalausweis. Aber auch im Bereich Entschädigung nach dem Atomgesetz sind wir tätig: Intern nennen wir es das „Wildschweinprojekt“. Vielleicht klingt das despektierlich, aber so ist es nicht gemeint. Es trifft einfach den Kern recht gut.

Worauf beziehen sich die Atomgesetz-Anträge?

Die Problemlage ist nach der Tschernobyl-Katastrophe entstanden, geht also zurück bis ins Jahr 1986. Es gibt bestimmte Pflanzen, die noch sehr lange radioaktiv verstrahlt sind, und wenn diese von Wildschweinen und anderen Tieren gefressen werden, steigt auch deren Verstrahlung. Ab einem bestimmten Radiocäsium-Gehalt dürfen die Tiere dann nicht mehr in den Handel gebracht werden. Auf Antragstellung prüft das BVA, ob ein Schadensausgleich nach dem Atomgesetz gezahlt werden kann.

Als Jäger, Sportschütze oder Sammler von Waffen braucht man eine entsprechende Berechtigung. Für welche Anträge im Bereich Waffenrecht ist das BVA zuständig? Und wie wird die digitale Lösung aussehen?

Im BVA werden nur bestimmte Anträge im Bereich Waffenrecht bearbeitet. Der weitaus größere Teil muss bei den Polizeibehörden der Länder beantragt werden. Die Leistungen rund um das Thema Waffenrechtliche Erlaubnis und Waffenbesitzkarte werden nicht im Bundesportal umgesetzt, sondern es gibt eine durch das Bundesinnenministerium angestoßene Bund-Länder-Kooperation. Das wird eine „Einer-für-Alle“-Lösung, also ein Portal rund um das Thema Waffenrechtliche Erlaubnis und Waffen. Dort wird zum Beispiel auch ein Zuständigkeitsfinder integriert sein. Mit diesem gelangt der Antragsteller über einige wenige Fragen beziehungsweise Klicks zur richtigen Behörde.

Im BVA arbeiten Digitalisierungsbeauftragte in allen Fachabteilungen. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? 

Wir haben Ende 2018 damit begonnen, Digitalisierungsbeauftragte in den Fachabteilungen einzurichten. Digitalisierung ist Teil der Fachaufgabe – daher benötigen wir fachnah angesiedelte Koordinatoren für die Digitalisierung. Ziel war und ist es, die Kommunikation der Fachabteilungen mit den Digitalisierungsbereichen und der IT zu erleichtern und die Digitalisierung auch in die Fachbereiche zu bringen – was uns auch gut gelingt. Das Ganze ist ein Format des ständigen Austausches: Wir haben Netzwerktreffen, auf denen wir mit dem Stab Digitalisierung, einigen IT-Fachleuten und den Digitalisierungskoordinatoren regelmäßig Digitalisierungs-Themen besprechen. Die Digitalisierungskoordinatoren kommunizieren auch neue Entwicklungen aus dem Bundesportal in die Fachbereiche. Aber auch umgekehrt: Die „Digikos“ spiegeln Erwartungen und Anforderungen der Fachbereiche an die IT und den Stab Digitalisierung zurück.

Vor Corona haben Sie sich regelmäßig persönlich an der „Werkbank“ getroffen? Wie organisieren Sie den Austausch nun?

An der „Werkbank“ in unserem Digitalisierungslabor „denk.BAR“ haben wir tatsächlich gestanden. Damit man schön agil bleibt. Die Formulare hatten wir großformatig ausgedruckt und jeder hat einen Filzstift in die Hand bekommen. Dann haben wir diskutiert, wie die Texte in den Online-Anträgen sein müssen. Welche Inhalte nicht benötigt werden und wie man die Inhalte neu gruppieren könnte. Das Team war begeistert, besonders viele Ideen gab es beim Vereinfachen. Eine Kollegin hat zeitgleich schon eine Online-Version gebaut und diese am Ende des Workshops präsentiert.  Das können wir seit Corona natürlich nicht mehr machen. Wir übertragen das Werkbank-Format jedoch so gut es geht in ein Online-Format per Videokonferenz. Das funktioniert (technisch meistens) gut, wir erstellen jetzt ein Word-Dokument oder eine Grafik-Datei aus den Formularen und bearbeiten dieses dann online. Natürlich ist das haptisch nicht das Gleiche wie vorher. Und es entsteht auch eine andere Atmosphäre per Videokonferenz; der Schwung ist verhaltener, wenn wir nicht im selben Raum sind. Aber die Situation erfordert das jetzt.

Das Bundesverwaltungsamt war relativ früh an der Umsetzung des OZG beteiligt. Begleiten Sie auch die Entwicklung des Bundesportals?

Die internen Entscheidungen zur Umsetzung des OZG wurden bei uns sehr früh getroffen. Das war notwendig, weil wir sehr viele Leistungen haben und dadurch zeitlich entsprechend planen müssen. Somit haben wir nahezu parallel zum Entwicklungsstart des Bundesportals begonnen, unsere eigenen Leistungen dafür mit zu entwickeln. Das war sehr spannend, die Entstehung des Portals mit zu begleiten und sich mit dem BMI und der Bundesdruckerei auszutauschen, die federführend sind. Wenn ich zum Beispiel an ePayment denke: Wie wird das überhaupt realisiert? Was muss man dafür tun, um ePayment umzusetzen? Solche Themen haben wir intensiver begleitet und haben hin und wieder ein Stück weit mitgewirkt. Wir konnten über Standards diskutieren: Wie muss oder sollte etwa ein Adressfeld aussehen? Noch ist das Bundesportal nicht live gegangen, aber es hat aus meiner Sicht einen sehr guten Reifegrad erreicht.

Herr Becker-Adam, vielen Dank für das Gespräch!