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Ist der islamistische Terror wieder da?

Er war nie wirklich weg!

"Immer wieder Moskau" - so titelte die Frankfurter Rundschau in ihrer Ausgabe vom 24. März 2024. Anlass war natürlich der fürchterliche Terroranschlag, der sich wenige Stunden zuvor in einer Konzerthalle nahe Moskau ereignet hatte, mit mehr als 130 Todesopfern (darunter auch Kinder) und mehr als 150 Verletzten.

Diesmal war die "Crocus City Hall" im Visier der Terroristen, aber es war nicht das erste Mal, dass Moskau vom Terror heimgesucht wurde.

  • 2003 - ein Selbstmordanschlag, ebenfalls auf die Besucher eines Rockkonzertes.
  • 2004 - diesmal war die Moskauer METRO Schauplatz tragischer Ereignisse, mit 39 Todesopfern. 2010 war die METRO erneut im Visier des Terrors.
  • 2011 - 37 Menschen sterben nach einem Angriff der separatistischen Gruppe "Kaukasus-Emirat" auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo.

Die Aufzählung grausamer Terrorangriffe -alleine in Moskau- ließe sich fortsetzen.

Diese wenige Daten des Terrors erinnern uns daran, dass die terroristische Bedrohung seit Jahrzehnten anhaltend hoch ist, leider auch für Europa und damit auch für unser Land.

Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand dabei für beträchtliche Zeit der sog." Islamische Staat" (IS) -auch Daesch oder Daesh genannt- der lange als de-facto-Staat große Teile des Iraks und Syriens kontrollierte.

In seinen Anfängen erhielt der IS Unterstützung der Terrororganisation al-Qaida. Von 2004 bis 2013 gehörte er sogar zu deren Netzwerk. Ende Juni 2014 gründete der IS ein Kalifat - und Kalif Ibrahim (Abu Bakr al-Baghdadi) erhob den Anspruch, das religiöse und politische Oberhaupt aller Muslime zu sein. Allerdings war dieses Konstrukt nicht von Dauer.  Ende 2017 verlor der IS die letzten Bastionen im Irak, 2019 in Syrien.

Grund zur Entwarnung? Leider nein! Prof. Peter R. Neumann, zweifellos einer der klügsten Köpfe auf dem Gebiet der Terrorismusforschung, betitelte sein 2016 erschienenes Buch nicht grundlos "Der Terror ist unter uns". Weder wurde der Terror 2017 im Irak, noch 2019 in Syrien endgültig besiegt, noch geht die Gefahr für uns alle "nur" von großen Terrororganisationen aus, die weltweit vernetzt auf verschiedenen Kontinenten Angst und Schrecken verbreiten.

"Unter uns" bedeutet, dass ganz reale Gefahren auch von bislang unbekannten Kleingruppen ausgehen können, oder von radikalisierten (Einzel-)tätern, die nur auf "ihre Stunde" warten.

In der NZZ hieß es in einer Rezension des Werkes wörtlich: "Neumann beschäftigt sich darin vor allem mit der Frage, was den Jihadismus für viele Menschen so attraktiv macht, bzw. was sie dazu bewegt, sich der Bewegung .... anzuschließen. Wer zum Jihadisten wird, ist nicht immer vaterlos, ungebildet und vorbestraft." Unser Nachbar, der Terrorist!?

Vor gut drei Jahren gab Peter R. Neumann in einem Zeitungsinterview zu Protokoll: "Wir wissen, dass Islamismus und Rechtsextremismus die beiden terroristischen Bedrohungen sind, die uns in den nächsten Jahrzehnten in Westeuropa beschäftigen werden. Und wir müssen beide im Blick behalten." Da hatte es den Anschlag auf das Tesla-Werk in Grünheide /Brandenburg (MP Woidke: "Ein gemeingefährlicher Anschlag") noch gar nicht gegeben.

Wenn Bundesinnenministerin Nancy Faeser nun konstatiert, dass das Risiko islamistischer Terroranschläge auch in Deutschland "hoch" sei, so ist dies zweifellos richtig. Allerdings ist diese Gefahr immer schon latent vorhanden gewesen und das schon seit Jahrzehnten.

Aber wenn sich verheerende Nachrichten überschlagen, wenn fast ununterbrochen von Kriegen, Krisen und Verbrechen aller Art berichtet wird, dann neigen wir dazu, Themenwechsel sehr zügig vorzunehmen. Anders formuliert: Die eine Gefahr wird von der anderen rasch verdrängt oder überlagert. Unsere Sicherheitsbehörden können sich diese Haltung allerdings nicht erlauben. Für sie ist ein 360 Grad-Blick auf alle denkbaren Gefahrenquellen für die Gefahrenabwehr unerlässlich und zwar "24/7".

Schenken wir ihnen nicht nur in Sonntagsreden Vertrauen, sondern auch die Instrumente, die notwendig sind um Gefahren frühzeitig zu erkennen und abwehren zu können!

Der Autor ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestags und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.