Bosbach/ Wegweiser

Fahrerflucht! Alles halb so wild?

Sollte § 142 StGB (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) aus dem StGB entfernt werden?

Nein, ein eher seltenes Delikt ist das Unerlaubte Entfernen vom Unfallort nun wirklich nicht. Jahr für Jahr sind etwa 250.000 strafrechtliche Ermittlungsverfahren alleine wegen dieses Vorwurfs anhängig. Das wiederum bedeutet keineswegs, dass jedes Verfahren auch mit einer Strafe (Strafbefehl oder Verurteilung) endet. Ohnehin landen in Deutschland nur etwa 20% aller strafrechtlichen Ermittlungsverfahren tatsächlich vor Gericht. Die übrigen 80% enden auf andere Art und Weise. Durch Einstellung mit oder ohne Auflage oder gemäß § 170 II StPO, weil sich der Tatvorwurf nicht erhärten lässt.

Laut Kraftfahrbundesamt ist die Zahl der Unfallfluchten leicht rückläufig. Während 2019 noch gut 36.000 Fahrer den Unfallort vorschnell und damit rechtswidrig verlassen haben, gab es drei Jahre später „nur” noch gut 32.000 Fälle.

Aus der Höhe der Strafandrohung wird deutlich, dass der Gesetzgeber das Unerlaubte Entfernen vom Unfallort bislang nicht als strafrechtliche Petitesse behandelt hat, denn die Unfallflucht „wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft”.

Diese Regelung dient in erster Linie dem Zweck, dass die Geschädigten ihre zivilrechtlichen Ansprüche gegenüber den Unfallverursachern erfolgreich geltend machen und durchsetzen können. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren „gegen Unbekannt” sind gar nicht so selten, zivilrechtliche Klagen auf Schadenersatz und/oder Schmerzensgeld „gegen Unbekannt” kennt die Rechtsordnung noch nicht. Schon die Zustellung der Klage dürfte mit nicht unerheblichen Problemen verbunden sein.

Bei Unfällen mit Personenschäden kommt hinzu, dass flüchtende Unfallbeteiligte selten geneigt sein dürften Hilfe zu holen. Dann allerdings käme ein weiterer Vorwurf hinzu: Unterlassene Hilfeleistung (§ 323 c StGB).

Das zuvor Gesagte gilt natürlich auch für die Klärung der Verantwortlichkeit am Unfallgeschehen. In diesem Zusammenhang ist durchaus beachtenswert, dass nicht wenige Experten die Ansicht vertreten: „Wer bei einem Unfall flüchtet, hat oft etwas anderes zu verbergen”. Das dürfte eine sehr lebensnahe Vermutung sein.

Wie nicht anders zu erwarten, gibt es (auch) beim Thema „Unfallflucht” so gut wie nichts, über das nicht gestritten werden könnte:

  • Was ist ein Unfallort? Nein, nicht etwa nur die Stelle, an der sich der Unfall ereignet hat! Dazu gehört die unmittelbare Umgebung. Allerdings ist der diesbezügliche Radius eher eng als zu weit auszulegen. Aha.
  • Rechtlich irrelevant soll ein völlig belangloser Schaden sein – was aber ist belanglos? Belanglos soll aktuell ein Schaden von unter 25 Euro sein, Inflationsangleichung ist hier nicht vorgesehen.
  • Und wie lange ist eine angemessene Wartefrist? Nach der Rechtsprechung muss der Unfallverursacher „eine den Umständen angemessene Zeit” warten, unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Unfallereignisses. Jetzt dürfte jedenfalls dieser Punkt hinreichend klar sein.

Bundesjustizminister Buschmann (FDP) hat vor kurzem die Idee ins Spiel gebracht, den § 142 aus dem StGB zu streichen und die Unfallflucht (ohne Personenschaden) zukünftig nur noch als Ordnungswidrigkeit (OWi) zu behandeln, was auch zu einer Entlastung der Strafjustiz führen würde. Das ist durchaus zutreffend, denn je weniger (Straf-)Taten als solche gelten, desto weniger Arbeit hat die Strafjustiz.

Wie nicht anders zu erwarten, gingen und gehen nach wie vor die Meinungen in der Fachwelt deutlich auseinander. Der ADAC brachte eine straffreie Meldung innerhalb von 48 Stunden nach dem Unfallereignis ins Spiel, schließlich gehe es allein darum, dass der Geschädigte seinen Schaden reguliert bekäme.

Anders der Auto Club Europa, der den Paragraphen im StGB belassen möchte- allerdings solle die Wartepflicht „überarbeitet” werden. Was immer das zu bedeuten hat.

Auch der Automobil-Club Verkehr meldete sich zu Wort und regte eine „digitale Meldestelle für Unfälle mit reinem Sachschaden” an.

Bleibt die Frage: Wenn zukünftig eine straffreie Meldung auch noch 48 Stunden möglich werden soll, wie will man dann noch ermitteln können, dass der Unfall unter Alkoholeinfluss verursacht wurde?  Und würde die Polizei tatsächlich signifikant entlastet, wenn sich der Verursacher des Schadens NICHT von 48 Stunden gemeldet hat? Ob Straftat oder OWi, aufgeklärt werden müsse der Sachverhalt dann ohnehin.

Ähnliche Gedanken dürfte sich auch die Bevölkerung machen, denn nach einer Umfrage der Versicherung DEVK votieren stolze 58,3 % GEGEN eine Herabstufung zur bloßen Ordnungswidrigkeit, nur 17,7 % dafür.

Das sollte dem Justizminister zu denken geben.