Gruppenfoto Barcamp U30
© Kolberg/Wegweiser Media & Conferences GmbH

„Das war mal etwas anderes!“

Barcamp U30 – „jüngster“ Auftakt zum 6. Zukunftskongress / Bunt, leger, weiblich und schon ganz schön professionell / 100 Teilnehmer ließen die Köpfe rauchen

Mit Elan, Interesse und sehr viel Professionalität: rund 100 junge Verwaltungsnachwuchskräfte, Entrepreneure, Berater, Wissenschaftler und Bürger „um die 30“ erarbeiten Thesen und Forderungen für Politik- und Verwaltungsspitzen. Eine Veranstaltung, die es in diesem Format und Umfang und mit dieser Altersklasse zum Thema Verwaltungsmodernisierung wohl kaum gegeben hat. Ein methoden-orientierter Bericht.

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Gute Stimmung auf dem Barcamp: Basanta Thapa vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) erklärt die Leitlinien.
© Wegweiser Media & Conferences GmbH/Kolberg

Keine klassischen Stuhlreihen, keine lange Reden, sondern viel aktiver Diskurs und Austausch in offenen Formaten: Am 1. Juni trafen sich ca. 100 interessierte „Verwaltungsmodernisierer“ im Microsoft Atrium in Berlin. Trotz frühsommerlichen 30 Grad war es nicht nur dank Klimatechnik eine „coole“ Veranstaltung. „Das war mal etwas anderes!“, so der vielfache Eindruck sowohl aus dem Teilnehmerfeld als auch von langjährigen Wegbegleitern deutscher Verwaltungstransformation.

Die Agenda selbst "basteln": Kreativität war auf dem Barcamp stets gefragt.
© Simone M. Neumann/Wegweiser Media & Conferences GmbH

60 Prozent weibliche Teilnehmer…

Das „Barcamp U30“ war in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Selbst wenn man ein Durchschnittsalter von 35 Jahren annimmt, wirkt das für eine Veranstaltung rund um das Thema Verwaltungsmodernisierung sehr rekordverdächtig. Genauso selten: Mit mehr als 60 Prozent waren es vor allem Teilnehmerinnen, die sich im Rahmen der modernen Formate engagierten, vernetzten und diskutierten. 


Vier Leitfragen

  1. Wie muss sich die öffentliche Verwaltung verändern, um den Bedürfnissen und Wünschen der jüngeren Generation gerechter zu werden?
  2. Wo muss der Staat intelligenter steuern, ordnen und eingreifen?
  3. Ist die Verwaltung aus sich heraus überhaupt zu einem Mentalitätswandel hin zu einem Dienstleister für die Gesellschaft bereit und fähig?
  4. Wie müssen sich Organisation und Führung in den Verwaltungen wandeln, um für die unterschiedlichen Aufgabenbereiche das richtige und motivierte Personal anzuziehen?

… aus der Generation „Y“ und „Z“

Es war die lockere Herangehensweise und vor allem das Engagement der jungen und vielfach unvoreingenommenen Vertreter der Generation „Y“ und „Z“, das der Veranstaltung ihre legere und gleichsam spielerische Dynamik verlieh. So gestalteten die Teilnehmer nicht nur ihre Agenda selbst, sondern mussten zuallererst mal ihre eigenen Papp-Hocker falten und aufbauen; Bewegung und „mal Hand anlegen“ gehörten von Beginn an zum Konzept. Zusätzlich „bewaffnet“ mit ein paar Stiften, Papier und vor allem viel Brain Power ging es los: Ideen aufwerfen, aufschreiben und den anderen so kurz und prägnant wie möglich vorstellen. Vier vorgegebene Leitlinien bildeten dafür den Rahmen. Und die Köpfe rauchten. Und rauchten…

Tanja Böhm, Leiterin Microsoft Berlin, "hostete" die Veranstaltung in den Räumlichkeiten von Microsoft Unter den Linden.
© Simone. M. Neumann/Wegweiser Media & Conferences GmbH

Für die Verwaltung ungewohnt - Matrix-Organisationen 

Gut, dass es zuvor schon einen kurzen inhaltlichen Exkurs gab. Michael Seipel erklärte mit seinem Team von Cassini Consulting ein paar Grundsätze deutscher Verwaltung, um schnell auf die daraus resultierenden „Problemzonen“ bei Veränderung zu kommen. Zur Sprache kamen die klassische preußische Hierarchie, ungewohnte Matrix-Organisationen, der Stellenwert von Sach- und Führungskompetenz sowie die Attraktivität des Öffentlichen Diensts als Arbeitgeber.

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Niemand hat Lust, dass sein Grundbucheintrag verloren geht, weil jemand in der Verwaltung gerade mit Blockchain und agilen Vorgehensmodellen experimentiert. Aber wir wollen trotzdem über Blockchain reden und agil vorgehen.

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Junge Leute wollen "Impact"

„Wenn ich mit jungen Leuten rede“, so Seipel, „dann stehen da oft Begriffe wie „Impact“. Sie wollen die Welt verbessern und Dinge bewegen, möglichst ohne steile Hierarchien.“ Preußische Tugenden und Begriffe wie Ordnung und „Aktenmäßigkeit“ kämen darin nicht mehr vor. Es gelte jedoch weiterhin beides, unterstrich Seipel: Verwaltung müsse verlässlich und belastbar sein und dürfe sich gleichzeitig nicht von modernen Methoden und Technologien abkapseln. „Niemand hat Lust, dass sein Grundbucheintrag verloren geht, weil jemand in der Verwaltung gerade mit Blockchain und agilen Vorgehensmodellen experimentiert. Aber wir wollen trotzdem über Blockchain reden und agil vorgehen.“


Praxisbeispiel

Probleme bei Transformation im öffentlichen Sektor

Die klassische Aufbau-Organisation der deutschen Verwaltung ist linienförmig mit klaren Hierarchien. „Wir haben versucht, im nachgeordneten Bereich einer Behörde eine Matrix-Organisation einzuführen.“ Ziel sei es gewesen, erklärte Michael Seipel, Partner bei Cassini, dass dieser Bereich wiederum mit dem nachgeordneten Bereich einer anderen Behörde zusammenarbeitet. Obwohl alle Prozesse schon genau definiert gewesen seien, habe der „Change“ Wochen gedauert. Allein die Entscheidung über das Einspielen eines Windows-Updates sei bis zum Abteilungsleiter hoch gewandert und wieder herunter. Seipel: „Das hat sehr viel Zeit gekostet.“ Nicht nur das. Darüber hinaus hätten sich wichtige junge Mitarbeiter wegbeworben und gingen verloren, weil sie die lange Dauer des Prozesses nicht mehr hatten mitmachen wollen.


 

Gruppenarbeit im Open Space

Nur wenige Teilnehmer hatten bis dato Erfahrung mit dieser Methodik, trotzdem: Nach ein paar Minuten „pitchten“ zehn Mutige inmitten der anderen ihre Vorschläge – die Agenda für die Session war geboren! Nach Interessen verteilten sich die jungen Leute unter den Ideengebern. Stellwände bildeten den Raum für die drei- bis 18-köpfigen Gruppen, die sich bis in alle Ecken über die offenen Räumlichkeiten verteilten. In Kreisen und Halbkreisen wurde gesessen, gekniet und gestanden. Das gab ein Gefühl von Zugänglichkeit und Transparenz, bot aber gleichermaßen Gelegenheit und Zeit für näheres Kennenlernen, persönlicheren und thematisch tieferen Diskurs. Jedoch nicht für Stillstand! Dafür sorgten u. a. die „Luftmenschen“.

Arbeit in kleineren und größeren Gruppen mit wechselnder Besetzung.
© Einhaus/Wegweiser Media & Conferences GmbH

„Ihr bestimmt, was gemacht wird!“

Luftmenschen - das waren und sind namentlich Lena Sarp und Julius Falk, die zusammen mit Basanta Thapa vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) ihre Barcamp-Methodik erklärten und souverän durchs Programm geleiteten. „Nehmt das Heft in die Hand“, so die simple wie aktivierende Devise. „Ihr bestimmt, was gemacht wird. Das ganze lebt von euch!“, gab Basanta Thapa mit auf den Weg. „Wenn ihr hier rausgeht und es war schlecht, dann liegt es an euch. Wenn ihr aber rausgeht und es war super, dann liegt es genauso an euch!“ Motivation durch Selbstbestimmung. 

Schmetterlinge sorgen in Gruppen für Stabilität, Hummeln "summen" herum und tragen Ideen zwischen einzelnen Gruppen weiter.
© Einhaus/Wegweiser Media & Conferences GmbH

Selbstbestimmung war auch die Ansage für die Gruppenphasen. Zwischendurch konnte – nein, es sollte sogar! – gewechselt werden. Der Mehrwert: Ideen von einer zur anderen Gruppe mitnehmen und dadurch alle voranbringen. „Fühlt euch nicht schlecht, wenn ihr ein oder gar zwei- oder dreimal zu einer neuen Gruppe wandert“, unterstrich Thapa, „sondern seid wie eine Hummel, die die Pollen weiterträgt.“ Das sollte natürlich nicht für alle und immerzu gelten. Deshalb sorgten neben umherschwirrenden „Hummeln“ die „Schmetterlinge“ dafür, dass die Gruppen stabil blieben und in verschiedener Weise geleitet wurden. Statik? Fehlanzeige!   

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Fühlt euch nicht schlecht, wenn ihr ein oder gar zwei- oder dreimal zu einer neuen Gruppe wandert.

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Ein lebendiges Wechselspiel aus Input, Action, Share – und Pausen

Alles in allem ergab sich ein lebendiges Wechselspiel. Nach initialen Erklärungen zu Ausgangslage, Methodik und Zielen (Input),machte eine kurze Phasen zur Themenfindung den Auftakt, daran knüpfte die eine einstündige Gruppenphase (Action) zur Ausarbeitung von Fragen, Forderungen und Zusammenhängen sowie anschließend Zeiten zur kurzen Präsentation der Ergebnisse anhand von Plakaten (Share). Diese Folge durchliefen die Teilnehmer zweimal. Hinzu kam viel Zeit für Austausch und Networking. Und zwischendurch auch mal ein „Klatschspiel mit Partner“. Selbst wenn das nicht jedermanns Sache ist, steht eines fest: Ein paar Lockerungsübungen können an langen Kongresstagen zwischendurch nicht schaden. Networking einmal anders!    

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Ich habe tolle Beispiele erfahren, von denen ich nie gedacht hätte, dass es sie gibt.

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„Gutes Grundgefühl für künftige Aufgabenstellungen“

 Zum Schluss folgten mehrere Feedback-Runden. Um es kurz zu machen, fiel das grundsätzliche Votum der Teilnehmer über die für viele ungewohnte Veranstaltung durchweg positiv aus. Beispiele hierfür sind etwa:  „Werde für meine Arbeit sehr viel mitnehmen“ (Verwaltung), „Habe ein sehr hohes Maß an Professionalität erlebt und nehme ein gutes Grundgefühl für die Themen und künftige Aufgabenstellungen mit“ (Beratung), „Ich habe tolle Beispiele erfahren, von denen ich nie gedacht hätte, dass es sie gibt“ (Verwaltung).

Die Vorschläge der Teilnehmer bildeten die Agenda und kamen an die Wand.
© Kolberg/Wegweiser Media & Conferences GmbH

Weiterhin schlug ein Besucher vor, die Gruppen durch fixe Moderatoren leiten zu lassen und im Anschluss die Arbeitsergebnisse genauer vorzustellen. Schließlich könnten den jungen Leuten auch „Maßnahmenkataloge“ mit an die Hand gegeben werden, die zeigen, was beispielweise bereits an Projekten und Programmen zur Digitalisierung der Verwaltung existiert. Dabei scheint klar, dass sich eine Veranstaltung wieder an „normale“ Formate angleicht, je fixer die Strukturen im Voraus festgelegt und vorbereitet werden. Eine Gratwanderung.

Steckbriefe mit Foto, ein paar Daten und Visitenkarten...
© Simone M. Neumann/Wegweiser Media & Conferences GmbH

Der "warme Rücken"

„Wer hat mich heute inspiriert?“ Mit dieser Frage leitete Lena Sarp die finale und persönlichste „Feedback-Runde“ ein – den „warmen Rücken“. Das Konzept: Einen Klebezettel beschriften und denjenigen Menschen auf den Rücken heften, die einen selbst an diesem Tage am meisten angeregt haben. Eine schöne Idee, die einmal mehr die Leitlinien der Veranstaltung widerspiegelte: Interaktion, Bewegung, persönlicher Kontakt und viele, viele Gedanken machen.        

"Warmer Rücken": Persönliches Feedback am Ende der Veranstaltung.
© Kolberg/Wegweiser Media & Conferences GmbH

Auftakt für mehr – alles trifft sich auf dem Zukunftskongress

Und was war nun das Resultat der ganzen Übung? Die Ergebnisse werden in den kommenden zwei Wochen bis zum „6. Zukunftskongress Staat & Verwaltung“ aufbereitet und durch McKinsey & Company in einen „Aufgabenkatalog“ gegossen. Am 18. Juni, dem ersten Veranstaltungstag, haben einige Teilnehmer die Möglichkeit, die Ergebnisse gegenüber Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung zu präsentieren und mit Ihnen zu diskutieren. Mit dabei sind u. a. Kevin Kühnert (Juso-Vorsitzender), Ricarda Lang (Bundesverband Grüne Jugend) und Staatssekretärin Sabine Smentek (Berliner CIO aus der Senatsverwaltung für Inneres). Zudem haben alle „Barcamper“ die Gelegenheit, die Veranstaltungen am ersten Tag des Zukunftskongresses kostenlos zu besuchen.

Bleibt noch, die Papp-Hocker des Barcamps ein zweites Mal zu erwähnen. Auch für sie gibt es ein Wiedersehen: samt Botschaften für die „älteren“ Genrationen werden sie auf dem Zukunftskongress auf- und ausgestellt. Welchen „Impact“ das auslöst, wird sich zeigen.

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