Wissensmanagement
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Wissensmanagement strategisch gestalten

Organisationsberater Ulrich Zuber im Interview

Wissen ist eine Ressource und zunehmend ein Kosten- und Erfolgsfaktor in einer Behörde. Die entsprechende Priorisierung ist jedoch in den meisten Verwaltungen nicht gegeben. Ulrich Zuber ist Referatsleiter im Beratungszentrum des Bundes des Bundesverwaltungsamtes und beschäftigt sich seit 1999 mit Wissensmanagement, Identitätsmanagement und Kommunikationsdesign. In neuen Arbeitsmodellen spielt Wissensmanagement eine tragende Rolle. Seit 2017 leitet er die Konzeptinstanz und ist Product Owner für das Social Intranet des Bundes. Verwaltung der Zukunft hat mit dem Organisations- und Digitalisierungsberater über effizienten Wissensaustausch, Methoden zur Restrukturierung von Arbeitssystemen und die Rolle von Technologien im Kommunikations- und Lernverhalten gesprochen.
Ulrich Zuber ist Referatsleiter der Organisationsberatung im Beratungszentrum des Bundes des Bundesverwaltungsamtes. Seit 2017 leitet er die Konzeptinstanz und ist Product Owner des Social Intranet des Bundes. Seit 1991 arbeitet er in verschiedenen Organisations-, IT- und Wissensmanagementprojekten der Bundesverwaltung. Arbeits- und Themenschwerpunkte sind die Organisationsberatung, Corporate Identity-Management, das strategische und operative Wissens- und Erfahrungsmanagement, der Arbeitsplatz der Zukunft sowie Strategien zur digitalen Transformation.
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Verwaltung der Zukunft: Was raten Sie kommunalen Verwaltungen zur Organisation ihres Wissens? Wie können auch kleine Gemeinden möglichst effektiv, simpel und kostenwirksam Wissen dokumentieren und effizient arbeiten?

Zuber:  Wissensmanagement funktioniert nicht in der Unterscheidung von „Bund /Land / Kommune“, sondern ist von der Art der jeweiligen Aufgabe, dem organisierten Arbeitssystem und der  Arbeitskultur geprägt. Daher muss Wissensmanagement grundsätzlich, auch in kleinen Einrichtungen, in der Strategie der Behörde verankert und Wissen als Produktionsfaktor auf die Ebene der klassischen Produktionsfaktoren wie Kapital, Organisation und Prozesse sowie Personal gehoben werden. Nicht erst seit dem demographischen Wandel müssen die Erfahrung und Netzwerke der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als die zentrale Ressource gezielt weiterentwickelt und gesichert werden. Wissensmanagement ist stets im strategischen Organisationskontext zu betrachten und gestaltet dann tief das Arbeitssystem, die Prozesse, Technologien und die Arbeitskultur mit. Dabei habe ich immer wieder erfahren müssen und beobachten können: Wissensmanagement nimmt zunehmend Einfluss auf die Gestaltungsbereiche der klassischen Steuerungsfunktionen. Diese sehen diese Einflussnahme üblicherweise nicht gern und wehren sie ab.

Wissensmanagement muss Chefsache sein, damit es sich  gegenüber den geübten Steuerungsprozessen durchsetzen kann.

Zusammenfassung:

  1. Verankerung des Wissensmanagements in der Strategie der Institution

  2. Betrachtung des Wissensmanagements im Organisations- und Kommunikationskontext

  3. Wissensmanagement ist Chefsache

  4. Etablierung eines Beauftragten für Wissensmanagement

  5. Aufbau einer wissens- und kompetenzbasierten Organisation und eines Lernmanagements

  6. Bereitschaft zur Transformation statt nur zur Veränderung

  7. Entwicklung passgenauer und bedarfsorientierter Technologien

Um die Leitung zu unterstützen und Wissensmanagement als Teil der Arbeitsorganisation zu festigen, sollte innerhalb der Behörde ein verantwortlicher „Beauftragter für Wissensmanagement“ mit einer entsprechenden Struktur etabliert werden, der rollengleich wie die anderen Beauftragten und klassischen Steuerungsfunktionen als „Anwalt des Wissens“ an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen ist. Auch für kleine Einrichtungen sind der strategische Ansatz, ein analytisches und systematisches Vorgehen und ein Wissenscontrolling, beispielsweise eine Wissensbilanz, erforderlich. Diese Methoden und Instrumente verhelfen allen Einrichtungen strategische und operative Entscheidungen für Wissens- und Erfahrungsmanagement auf einem gesicherten Fundament zu treffen. Ansonsten bleiben Wissensmanagement und die Arbeitskultur ein Bauchgefühl auf einer nicht steuerbaren Anschauungsebene und durch die Deutungshoheit bestimmt. Wird anerkannt, dass es überwiegend um die Erfahrungen der Beschäftigten geht – und nicht nur um Informationen und Wissen – dann sehen wir anders auf Prozesse, Netzwerke und Technologien. Wir erkennen und etablieren Methoden wie Briefing/Debriefing, ein Lernmanagement, Wissensstafette und Wissenstransfer, sichern diese nicht nur durch Unterstützung zielgenauer Technologien, sondern verankern diese im Alltag als Selbstverständlichkeit. Dann wird Wissensmanagement effizient und effektiv, simpel und kostenneutral. Es geht um die Bereitschaft zur Transformation statt nur zur Veränderung.  

Verwaltung der Zukunft: Wo sehen Sie die größten Probleme und Herausforderungen in der deutschen Verwaltung in puncto Wissensmanagement?

Zuber: Wir sehen innerhalb und zwischen Einrichtungen oft Silodenken, und es fehlt an Austausch von Wissen und Erfahrung – zwischen einzelnen Menschen, Gruppen und Einrichtungen in ihren jeweiligen Strukturen. 

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Der Reflex müsste sein, das Arbeitssystem zu überdenken. 

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Dies allein ist für die Arbeitsergebnisse, die demographischen Prozesse und die Veränderungsfähigkeit bereits problematisch. Es führt aber zusätzlich zu Problemen für Datenströme und die Entwicklung von organisationsübergreifenden Prozessen und Prozessketten, die wir heute nicht nur im Rahmen der Digitalisierung, sondern insbesondere im Kontext von schnellen und zielsicheren Reaktionen der Verwaltung und Politik z. B. für Effizienz und Sicherheit dringend benötigen. Es ist eine Herausforderung, die Organisationsgrenzen fluide zu gestalten und durchlässig zu machen.
Noch immer – und gerade mit einem technisch getriebenen Verständnis von Digitalisierung oder zentralisierten IT-Lösungen – wird eine Technologie gesucht oder ein technologischer Ansatz gewählt, um die Herausforderung anzugehen. Zu wenig wird technologie- und institutionsneutral der Nutzungsbedarf analysiert, gebündelt und die Nutzerakzeptanz in die Lösungsfindung und Softwareentwicklung einbezogen.

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Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.

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Albert Einstein

Der Reflex müsste sein, das Arbeitssystem zu überdenken und in Anerkenntnis der Kondratjew-Zyklen auf eine Arbeit 6.0 auszurichten – dies würde uns richtigerweise in eine Werteorientierung führen, die wir für eine Ausrichtung auf strategische Werte- und Zielbilder dringend benötigen, statt die Beschäftigten nur auf Effizienzziele und thematische Enge auszurichten (und damit in den Silo zu treiben). Wissen ist ein Wert. Einstein als großer Denker hat es auf eine Formel bringen können: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“. Wir müssen ein neues Denken etablieren, um Neues zu denken.

Verwaltung der Zukunft: Welche Methoden gibt es, um aus den bestehenden Denkweisen auszubrechen?

Zuber: Die erste Frage sollte immer sein: Wie kann ich meine Beschäftigten in immer steigender Komplexität ihrer Arbeitssituationen, kürzeren Innovationszyklen und generell zunehmender Unsicherheit unterstützen? Bereits diese Kernfrage führt uns in andere Denkprozesse, da sie nutzer- und bedarfszentriert ist. Grundsätzlich erschließt sich aus der Entwicklung einer Strategie und der Zielbilder ein entsprechendes Mitarbeiter- als auch Führungsverständnis und die Straffung der Prozesse. Es braucht auch ein neues Kommunikations- und Kollaborationsverständnis mit einer Offenheit zum Dialog und Freiräume für Beschäftigte, Kommunikationszonen, Kommunikations- sowie Kollaborationssysteme.

"Wie kann ich meine Beschäftigten in ihrer Arbeitssituation unterstützen?" Arbeitssysteme sollten stets bedarfs- und nutzerorientiert konzipiert werden.
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Dies etabliert anderes Arbeitsverhalten und es können neue selbstorganisierte Prozesse entstehen – wie wir dies auch von Communities of Practice kennen. Für die Führung bedeutet das, mehr zeitliche und räumliche Selbstorganisation für die Beschäftigten gezielt zu entwickeln. Es bedeutet auf der anderen Seite der Medaille aber auch einen gefühlten Verlust an Kontrolle und Steuerungsfähigkeit. Wir brauchen für eine moderne Steuerung von Arbeitsprozessen, die nicht mehr auf ständige räumliche und zeitliche Verfügbarkeit, sondern auf mobile und flexible Arbeit setzt, deshalb ein entsprechend ausgerichtetes Wissensmanagement, das Unsicherheiten entgegenwirkt. Bereits diese neuen Aspekte eines modernen Arbeitssystems haben in den gültigen Geschäftsordnungen aber kaum Raum, es bedarf also auch einer Revision der Geschäftsordnung hin zur GO 4.0. Dies könnte man weiter ausführen.

Damit die Beschäftigten Entlastung durch die Assistenzsysteme erfahren können, müssen die jeweiligen Technologien und deren Funktionen an die strategischen Werte und Ziele der Verwaltung nutzer- und bedarfszentriert angepasst werden – häufig ist dies innovationsgesichert in den üblichen Customizing-Verfahren aber nicht erreichbar.

Verwaltung der Zukunft: Was ist Ihrer Meinung nach der Status Quo der deutschen Verwaltung in Sachen Arbeit 4.0?

Zuber: Ich denke, die Verwaltung ist schon vor Jahren aufgebrochen und hat sich der Idee der Arbeit 4.0 geöffnet. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bietet hier Studien und Praxisbeispiele an. Diese sind klar und verständlich, der Nutzen liegt auf der Hand. Die Verwaltungen stehen neuen Arbeitsmodellen, ob nun aus Erkenntnis oder Demografie getrieben, mittlerweile sehr aufgeschlossen gegenüber und setzen neue Arbeitsmodelle um, z. B. in Co-Working Spaces, mobiler und flexibler Arbeit oder Telearbeit. Die Führungs- und Mitarbeiterstrukturen sind nicht mehr so klassisch, wie sie in der Außensicht zu sein scheinen. Es wird in digitalen Laboren und Denkfabriken, aber auch bereits umgestellten Arbeitsbereichen experimentiert. Wir sind hier teilweise auch schon weit und müssten in die Fläche gehen. Für einen weiteren Ausbau bedarf es aber der entsprechenden Technologien. Für mich stellt sich in der Analyse der Ausgangslage und Ziele von Arbeit 4.0 allerdings auch die Frage, ob wir mit Arbeit 4.0 und den Erkenntnissen aus den erwähnten Kondratjew-Zyklen auf die wirksamen langfristigen Aspekte sehen und dann weit genug die Wirkung planen.

 

Verwaltung der Zukunft: Besonders mit dem Onlinezugangsgesetz und der Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen wurde deutlich, dass die Verwaltungen verschiedener Kommunen sich zu wenig austauschen und kaum Wissen teilen. Worin sehen Sie die Ursachen dieses Phänomens?

Zuber: Es gibt 11.000 Gemeinden, die in Deutschland als Kommunen verstanden werden. Nicht jede Kommune hat die Vernetzungsmöglichkeiten oder Ressourcen für Vernetzung, Zugang zu den richtigen Ansprechpersonen oder übergreifenden Systemen.

Kommunen haben in der Verwaltung den größten Realisierungsdruck. Daher werden Modernisierungsprojekte oft zur Nebenaufgabe.
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Die Evaluation von Best-Practices und die Kommunikation erscheinen bei der Vielzahl guter Lösungen als aufwendig. Best-Practices können wiederum nicht die Reichweite erreichen, die sie für eine breite Aufmerksamkeit benötigen. Außerdem haben die Kommunen wie die Verwaltung insgesamt einen hohen Realisierungsdruck. Da werden Modernisierungsprojekte – soweit ich das bei dem dargestellten Umfang erkennen kann –  zur Nebenaufgabe.

Man kann aber auch beobachten, dass Informationen zu Lösungen durch die Verwaltungsebenen diffundieren, allerdings ist es in der Breite weniger sichtbar und erscheint eher zufällig als gesteuert. Kommunale Strukturen wie Städte- und Gemeindetage nehmen sich des Themas Wissensaustausch zwar an, allerdings fehlt es an einer zentralen Plattform. Wenn wir uns nicht selbst organisieren, sollten bestehende Plattformen wie Messen und Kongresse als Möglichkeit zum Austausch genutzt werden.

Verwaltung der Zukunft: Sie sind aktuell die Konzeptinstanz für das Social Intranet des Bundes. Wie planen Sie die Heterogenität der Behörden zu berücksichtigen und die Nutzerakzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicherzustellen?

Zuber: Als Maßnahme der IT-Konsolidierung wird das Social Intranet des Bundes (SIB) vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat beauftragt und koordiniert sowie vom Bundeskanzleramt in der Maßnahmenverantwortung getragen. Das Bundeskanzleramt hat sich frühzeitig für die Idee der zentralen Informations- und Kollaborationsplattform SIB eingesetzt und die maßgeblichen Vorgaben entwickelt. Wir wurden mit der Entwicklung der Konzeptinstanz beauftragt und haben auf die oben geschilderten Aspekte reagiert. 

Die Konzeptinstanz für das Social Intranet des Bundes ist beim Beratungszentrum des Bundes des Bundesverwaltungsamtes angesiedelt.
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Mit der Konzeptinstanz wurde eine neue Einrichtung geschaffen, die die Aufgaben der Fachlichkeit, Bedarfsanalyse, -bündelung und Anforderungsdefinition des SIB sowie des Erwartungsmanagements für das SIB als zentrales Informations- und Kollaborationssystem der gesamten Bundesverwaltung mit der Rolle des Product Owner für das SIB verzahnt.

Der Product Owner setzt auf diese Arbeiten auf und treibt in der agilen Methode die nutzer- und bedarfsgetriebene Entwicklung der Software SIB voran. Er priorisiert und kontrolliert die Entwicklungsprozesse der Software. Gleichzeitig wurden Rahmenbedingungen geschaffen, die dies erst ermöglichen. Wir haben aus den Vorgaben bspw. Entwicklungsleitlinien für das SIB entwickelt, die die Kontrolle über die Entwicklung und Software absichern können. Da geht es z. B. um Eigentumsfragen an der Software sowie Kontrolle über die Software und deren Quellcode, Daten und Datenströme, Funktionalität und Funktionsumfang in Tiefe sowie Breite und Innovationszyklen. Aber auch bedarfsgetriebene fachliche Konzepte und nutzungsgeschnittene, schlanke Software, z. B. eine moderne responsive Navigation auf verschiedenen Endgeräten, ein robustes Kommunikations- und Meldungsmanagement oder eine hohe Konfigurierbarkeit und resiliente Berechtigungskonzepte für einen solchen Systemumfang. Es geht um formelle und informelle Wissensarbeit und dienstliche Privacy.

Wir haben zur Verdeutlichung dieser Anforderungen ein Kräftediagramm entwickelt, welches als Orientierung aufzeigt, dass es in dieser fachlichen Komplexität um eine Balance und den Ausgleich verschiedener Interessen geht, um eine optimale Software für den Bund zu entwickeln und diese zur Entlastung der Beschäftigten langfristig zu kontrollieren: Es geht um die digitale Unabhängigkeit, die aus der Getriebenheit in eine Gestaltungsfähigkeit führt. Für die Entwicklung des SIB arbeiten wir eng mit dem ITZBund, den Stakeholdern und den nutzenden sowie interessierten Einrichtungen zusammen.

Das Kräftediagramm ist daher auch die Antwort auf Ihre Fragen nach einerseits der Heterogenität und der Nutzerakzeptanz anderseits.

Heterogenität

Die Verwaltungen beschäftigen sich aktuell mit umfangreichen Themen: natürlich mit den vielfältigen Fachaufgaben der Bundesverwaltung, der Länder und Kommunen und zugleich mit den Modernisierungsaufgaben und -themen wie dem Onlinezugangsgesetz, der E-Akte oder der Einführung von digitalen Laboren in eine Digitalisierung der Arbeit. Auch wenn die Behörden selbst in ihren Aufgaben und Schwerpunkten sehr heterogen sind: Vieles hat ressort- und ebenenübergreifende Auswirkung und benötigt entsprechende Arbeitsprozesse und virtuelle Arbeitsräume über die Standort- und Organisationsgrenzen hinweg. Es geht um eine fluide Arbeitsorganisation und ein entsprechendes Wissensmanagement.

Und hier setzt das Social Intranet des Bundes konzeptionell und funktional an. Denn für die Austauschplattform und deren Konzepte an sich, spielt die fachliche Heterogenität der Behörden keine Rolle. Hinsichtlich der formalen und informellen Arbeitsprozesse eint alle Einrichtungen des Bundes der gleichen Funktions- und Unterstützungsbedarf: Es muss eine behörden- und ressortübergreifende Arbeit ermöglicht werden, z. B. in Form von selbstorganisierten, schnell einzurichtenden Arbeits- und Informationsgruppen.

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Die Herausforderung liegt in den unterschiedlichen Arbeitskulturen.

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Die Herausforderung liegt in den unterschiedlichen Arbeitskulturen, die heute z. B. den Rahmen für die organisatorische Zugänglichkeit, offene Zusammenarbeit, Transparenz oder fluiden Prozessen setzen. Wir sehen unterschiedliche Organisationsstrukturen, Kommunikationsverständnis und -prozesse, unterschiedliche Fähigkeit in verschiedenen Rollen zu arbeiten. Wir schauen als Konzeptinstanz also auf die Fragen, Möglichkeiten und Grenzen einer einheitlichen Zusammenarbeit, Schaffung von verbindlichen Spielregeln, von gesicherter und verbindlicher Arbeit. Die zentralen Fragen sind: Wie arbeiten wir zukünftig zusammen, müssen wir die Zusammenarbeit vereinheitlichen und wie ist der Weg dahin, oder wie verknüpfen wir die verschiedenen Arbeitskulturen der Verwaltungen?

Nutzerakzeptanz

Das System soll 300.000 Beschäftigten und 300 Behörden zur Verfügung stehen. Dies ist keine homogene Gruppe und  umfasst vielfältigste Erwartungen. Wir haben die ganze Bandbreite an Beschäftigten und müssen auf Altersstrukturen, vielfältige Berufsgruppen, Diversity, Gender oder Kommunikationsfähigkeiten achten. Dazu kommen Aspekte wie Urheberrecht, Persönlichkeitsrechte mit einer granularen Steuerung persönlicher Daten, Privacy und  geschützte Dokumente. Wenn man eine solche Software nicht nur kauft, sondern entwickelt, sehen wir einen hohen Anspruch an die Barrierefreiheit, den wir unter den Begriff Zugänglichkeit fassen. Dazu bauen wir einen Austausch mit den entsprechenden Gremien, Beauftragten und Vertretungen auf, damit wir ihre Anforderungen unmittelbar in der Softwareentwicklung berücksichtigen können.

Im Sinne der Nutzerakzeptanz müssen wir das SIB leicht zugänglich und intuitiv bedienbar machen. Dazu gehört es auch, ggf. verschiedene Komponenten in einer einheitlichen Oberfläche anzubieten. Die Entwicklungsleitlinien für das SIB-Dachportal geben einen weiteren zentralen nicht-funktionalen Anspruch vor: eine hohe Integrationsfähigkeit für integrationswillige Software anbieten zu können sowie die Individualentwicklung und Kontrolle der Software, da wir neue Schnittstellen entwickeln und auch langfristig beherrschen müssen. 

Das Social Intranet des Bundes soll Raum für Kooperationen bieten - auch Funktionen wie Videokonferenzen und gemeinsame Dokumentenbearbeitung sind in Planung.

Betrachten wir die Inhalte, so kommen weitere Aufgabenstellungen hinzu: Welche Informationen erwarten Mitarbeiter und Behörden und wie bieten wir diese an? Wir müssen Eingabemöglichkeiten anbieten sowie Werkzeuge zur Selbstorganisation wie Arbeits- und Gruppenräume, die das klassische Denken von Content-Management-Systemen (CMS) ablösen bzw. bedarfsgerecht integrieren. Daher vereint das Social Intranet des Bundes die Redaktionsphilosophien von CMS und WIKI-Ansätzen. Wir benötigen Funktionen für Video-Konferenzen, Whiteboarding, Terminunterstützung, gemeinsame Dokumentenbearbeitung und Online-Schulungs- sowie Vortragssituationen. Der bedeutende Aufwand der Konzeptinstanz liegt daher auch im Bedarfs- und beim Erwartungsmanagement: Wann kommt welche Funktion in welcher Ausprägung? Und wie entwickelt sich dies weiter? Welche Software ist langfristig integrierbar und kontrollierbar? Die Erwartungen haben unmittelbaren Einfluss auf die Akzeptanz. Hinzu kommen klassische, erwartete soziale Features – aber in einer auf den dienstlichen Kontext angepassten und verständlichen Form. Man kann Informationen einsehen, abonnieren, weiterempfehlen. Je nach Sensibilität der Daten kann man zwischen privaten und öffentlichen Gruppen und Kontakten wählen.

Seit dem 29. August ist das Social Intranet des Bundes in der Basisversion verfügbar. Was heißt Basisversion? Uns ist bewusst, dass noch nicht alle Bedarfe und Funktionen im SIB realisiert wurden. Das hat Kosten- und Zeitgründe, vielmehr jedoch die bereits häufig zitierte Bedarfsorientierung der Entwicklungsmethode: Gerade in Zusammenfassung der oben geschilderten Erkenntnisse aus über 20 Jahren Wissens- und Erfahrungsmanagement und agiler Softwareentwicklung im BVA: Wir bauen das System zielgenau im Austausch mit und für die Nutzenden weiter aus, kontrollieren dazu die Software und deren Funktionen, um diese auf Kurs zu halten: schlank, bedarfs- und nutzergetrieben. Das Entwicklungsmodell des SIB unterstützt in besonderer Form das Thema Digitale Souveränität.