Karoline Herrmann
© dbb jugend/Tinett Kähler

„Viel zu vage formuliert!“

Karoline Herrmann sieht die Politik bei Digitalisierung und Sicherheit öffentlich Bediensteter in der Pflicht

Um künftig junge und gut ausgebildete Menschen für sich zu begeistern, muss sich der Staat noch ein bisschen mehr ins Zeug legen, erklärt die Vorsitzende der dbb-Jugend, Karoline Herrmann, im Gespräch mit „Verwaltung der Zukunft“. Dabei spielen nicht nur stärkere Anstrengungen rund ums E-Government eine Rolle, sondern – ganz analog betrachtet – auch der Schutz von Beschäftigten gegen Gewalt.
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Die zuvor unterschiedlichen Bereiche Kita, Jugend, Soziales und auch die bisherige Ausländerbehörde befinden sich mittlerweile alle unter einem Dach und in einem Dezernat.

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„Verwaltung der Zukunft“: Gibt es ein Amt, ein Ministerium oder eine andere Behörde, die sie an dieser Stelle einmal richtig loben möchten?

Herrmann: Ich finde zum Beispiel ein Vorgehen der Stadt Krefeld beispielhaft: Im Zuge des Flüchtlingszustroms wurde die dortige Stadtverwaltung umstrukturiert. Die zuvor unterschiedlichen Bereiche Kita, Jugend, Soziales und auch die bisherige Ausländerbehörde befinden sich mittlerweile alle unter einem Dach und in einem Dezernat. Ob Angelegenheiten des Jobcenters, Integrationsmaßnahmen, Asylverfahren oder Kita-Gebühren – der Bürger hat hier einen zentralen Anlaufpunkt und bekommt dort für dieses umfängliche Aufgabenfeld alles aus einer Hand. Das ist ziemlich einmalig, zumindest aber sehr selten in Deutschland!  

Karoline Herrmann, geb. 1990, ist Kommunalbeamtin im Jugendamt des Landkreises Nordwestmecklenburg und seit 2017 Vorsitzende der Jugend des Deutschen Beamtenbundes (dbb).
© dbb/Marco Urban

VdZ: Was haben Sie in den vergangenen Jahren in einer Verwaltung vielleicht erlebt, dass Sie geärgert hat und Grund zur Sorge gibt?

Herrmann: Gerade in Sachen Digitalisierung sind wir noch Entwicklungsland. Oft können Dokumente oder Anträge zwar online oder digital ausgefüllt werden, müssen dann aber doch wieder ausgedruckt und postalisch verschickt werden. Das ist in vielen Bundesländern beispielweise mit der ELSTER-Steuererklärung noch so. In Sachen Digitalisierung werden die Ziele von der Politik auch insgesamt viel zu vage formuliert!       

VdZ Was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an eine „Verwaltung mit Zukunft“ denken?

Herrmann: Ich denke vor allem an E-Government und digitale Lösungen, die für den Bürger von außen zugänglich gemacht werden, ohne dass er noch „aufs Amt“ muss. Daraus resultiert auch eine Arbeitsentlastung für die Mitarbeiter, die durch entfallende Bürokratie möglichst mehr Zeit gewinnen, sich auf den Bürger als Menschen einzulassen. Wenn die Belegschaft dadurch flexibler arbeiten kann, steigt sicherlich auch die Attraktivität der Verwaltung als Arbeitgeber.

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Auch wenn der Öffentliche Dienst heute schon Möglichkeiten zu Teilzeit und Home Office bietet, fehlt es weiterhin an Akzeptanz – die Mitarbeiter befürchten Nachteile, etwa in ihrer Beurteilung.

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Auch wenn der Öffentliche Dienst heute schon Möglichkeiten zu Teilzeit und Home Office bietet und es langsam in die richtige Richtung geht, fehlt es weiterhin an Akzeptanz – die Mitarbeiter befürchten Nachteile, etwa in ihrer Beurteilung. Gerade bei jungen Menschen spielt die „Work-Life-Balance“ aber eine Rolle. Hier muss sich der Staat noch ein bisschen mehr ins Zeug legen, um junge und gut ausgebildete Menschen für sich zu begeistern.  

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Wenn ich höre, dass die E-Akte in der Justiz erst im Jahr 2026 verpflichtend eingeführt werden soll, dann dauert vieles hierzulande einfach unglaublich lange…

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VdZ: Wie wird sich die Verwaltungsarbeit in den nächsten fünf Jahren verändern?

Herrmann: Ohne zu pessimistisch wirken zu wollen – nicht viel! Wenn ich z. B. höre, dass die E-Akte in der Justiz erst im Jahr 2026 verpflichtend eingeführt werden soll, dann dauert vieles hierzulande einfach unglaublich lange. Und wir sprechen bei der E-Akte ja nur von einem kleinen Baustein, der nicht mit der Digitalisierung insgesamt zu verwechseln ist.     

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… und wir sprechen bei der E-Akte ja nur von einem kleinen Baustein, der nicht mit der Digitalisierung insgesamt zu verwechseln ist.    

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VdZ: Wo sehen Sie in der deutschen Verwaltungslandschaft den größten Nachholbedarf?

Herrmann: Wir haben mehrere Baustellen, darunter sicherlich die veraltete Technik. Gerade hab ich bei einem Vortrag gehört, dass eine Behörde in Berlin noch mit Windows 95 arbeitet. Unglaublich! Auch in den Schulen gibt es großen Nachholbedarf. Das hört bei der technischen Ausstattung aber längst nicht auf. Denn es reicht nicht, Verwaltungsmitarbeiter oder Lehrer vor neue Geräte zu setzen – es braucht hier ebenso begleitende Unterstützung und Schulungen.

Neben der Digitalisierung gibt es aber noch woanders Nachholbedarf: bei der Gewalt gegen Beschäftigte. In vielen Behörden herrscht Frust, weil es kaum präventive Maßnahmen und auch keine (psychische) Nachsorge gibt, wenn etwas passiert. Wir brauchen dringend Deeskalationsschulungen! Bislang stehen betroffene Kollegen etwa aus den Bereichen Soziales und Arbeit solchen Ereignissen unvorbereitet gegenüber.