
Hilfsbedürftige durch mobile Entwicklungen zu Prosumern
Die Digitalisierung Afrikas - Teil 3
M-Farming
Sicher, man kann das „M“ auch überstrapazieren. Ob Landwirtschaft gleich mobil wird, nur weil ein Handy ins Spiel kommt, darüber mag man streiten können.
Doch der Namensgeber zeigt exemplarisch, wie die Landwirtschaft von mobiler Technologie profitieren kann. Mit M-Farm erhalten Bauern per SMS oder über eine App aktuelle Marktpreise der Lebensmittelbörsen sowie Tipps für die Aussaat, Düngemittel oder Wetterinfos. Zudem bietet ein Online-Marktplatz ihnen die Möglichkeit, teure Verkaufsagenten zu umgehen und ihre Produkte direkt den Händlern zum Kauf anzubieten, wobei ihnen die Markttransparenz hilft, höhere Preise zu erzielen.

Markt-, Bezahl- und Transparenzplattform
Auch andere Dienste zielen darauf ab, Zugang zu Informationen zu schaffen, um die Unkenntnis von Marktpreisen, die schwere Erreichbarkeit von Handelsplätzen und die Begrenzung von Handelsvolumen zu überwinden. Bei DrumNet, das ebenfalls auf SMS basiert, können beispielsweise Bauern Anbau- und Erntemengen angeben sowie Händler Käufe und Verkäufe mitteilen. So erfahren die Bauern realistische Marktpreise und die Händler verfügbare Produktmengen. Gleichzeitig dient DrumNet als Bezahlplattform und macht die Zuverlässigkeit der Akteure transparent.
Weitere Anbieter konzentrieren sich auf den reinen Versand von Wetter- und Marktberichten. Doch auch die von ihnen gelieferten, mobil bereitgestellten Informationen tragen dazu bei, dass die Landwirtschaft effizienter wird und die Marktbedingungen sich zugunsten der breiten Masse der Bevölkerung verbessern – denn zwei Drittel aller Menschen in Afrika leben von der Landwirtschaft.
Mobile Education
E-Learning ist international längst weit verbreitet. Im afrikanischen Kontext geht es jedoch primär um eine mobile Ausprägung, die auch einen Zugang in entlegenen Gegenden mit begrenzter Infrastruktur ermöglicht.

Ein Beispiel für die damit verbundenen Bildungsmöglichkeiten ist die Lern-Plattform Eneza, für deren Nutzung wöchentlich zehn Cent vom Telefonguthaben abgebucht werden. Schüler bekommen im Gegenzug per SMS Lernaufgaben auf ihr Handy geschickt, beantworten diese auf gleichem Weg und erhalten hierüber auch die Ergebnisse mitgeteilt. Haben sie Fragen, werden diese innerhalb weniger Minuten von Lehrern in einem Call-Center in Kenia per SMS beantwortet. Das Fächerspektrum reicht von Mathematik und verschiedenen Naturwissenschaften bis Englisch und Kisuaheli.
Entwicklungshilfe in den Digital-Modus
Forderungen von Entwicklungshelfern reichen noch viel weiter. Mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung reiche es demnach nicht aus, Menschen in Afrika nur Ausbildung und Berufsperspektiven anzubieten, die einen Zugang zu diesen Innovationen nicht enthalten. Es reiche nicht mehr, nur Maurer-, Tischler- oder Nähkurse anzubieten. Um ihnen diese Welt zu erschließen, brauche es vielmehr Online-Coaching, Coding-Schulen, Bootcamps und sogenannte Fablabs bzw. Makerspaces, in denen Geräte von der Holzfräse bis zum 3D-Drucker zur Verfügung stehen, sowie Startup-Zentren, Coaching- und Co-Working-Büros.
Mobile Participation
Den möglichen Einfluss des Handys auf das politische Geschehen in Afrika haben etwa die Bilder und Videos aus Tunesien oder Ägypten, die von Zivilisten mit ihren Mobiltelefonen aufgenommen und über soziale Medien verschickt wurden, deutlich gemacht – und gezeigt, dass mit ihrer Hilfe sogar autoritäre Regime bezwungen werden können.
Mobile Partizipation reicht jedoch noch weiter. Denn Handys bieten nicht nur einen Zugang zu bestimmten Regierungsdiensten, sondern auch eine Möglichkeit, im Kontakt mit der Welt politischen Protest auszudrücken.
Berichte aus den ungehörten Gemeinden Afrikas
Als Vorreiter der mobilen Partizipation gelten etwa Projekte wie Ushahidi oder Voices of Africa. Ushahidi bedeutet „Zeugenaussage“ und genau darum geht es: via Handy gesandte Informationen über Unruhen oder Krisengebiete zu sammeln und zu visualisieren sowie einen Austausch zwischen den Betroffenen zu ermöglichen. Auch für Voices of Afrika, „Stimmen Afrikas“, ist der Name Programm: Das Portal bildet die Vielfalt Afrikas ab, indem es als Plattform für Berichte aus den zumeist ungehörten Gemeinden Afrikas dient, und gibt ihnen eine Stimme, indem es via Handy hochgeladene Fotos, Texte und Videos veröffentlicht und damit die Perspektive der Einheimischen darstellt.

Stromversorgung als Achillesferse
Jede mobile Technologie gerät dort an ihre Grenzen, wo es an der Möglichkeit fehlt, die entsprechenden Geräte mit Strom aufzuladen – und viele Handybesitzer in Afrika müssen mehrere Kilometer zum nächsten Stromanschluss laufen.
Eine praktikable Lösung bieten kleine Heim-Solarenergie-Anlagen von Anbietern wie M-Kopa aus Kenia. Der Lieferumfang der Minisolaranlagen umfasst nicht nur Solarzelle und Pufferbatterien, sondern auch Anschlussbuchsen zum Aufladen aller Arten von Handys. Dass die Anlagen mit Hilfe des mobilen Bezahlsystems M-Pesa über ein Jahr mit täglichen Raten von 40 Cent abbezahlt werden können, macht den Strom für diejenigen erschwinglicher, deren Haus nicht über einen Stromanschluss verfügt.

Intelligenter Zugang zu längst vorhandenen Ressourcen
Visionäre versprechen sich von einer intelligenten Vernetzung – etwa durch Co-Creation, Design-Thinking und Crowdsourcing – und einem intelligenten Zugang zu längst vorhandenen Ressourcen – beispielsweise Know-how, Technologien und Finanzen – Effekte, die die etablierte Hilfsindustrie entbehrlich machen und stattdessen innovative Lösungen globaler Probleme hervorbringen.
Dies bedingt vor allem die Verfügbarkeit von Informationen etwa über potentielle Partner, über Betreiber- und Finanzierungsmodelle, über Investoren oder Finanzierungen, über technische Lösungsansätze und Technologien, über Angebote und Bedarfe, über Märkte. Dafür wurde beispielsweise das Konzept des SWITXBOARDs entwickelt, das solche Informationen digital vernetzt und dank intelligenter Algorithmen und Filter das Matching bei der Suche auch nach komplexen multidimensionalen Lösungen erleichtert. Gleichzeitig wird die professionelle Begleitung von Partnerschaften durch ein internationales Beraternetzwerk sichergestellt.
Dem liegt die Philosophie zugrunde, dass es in unser aller Interesse ist, wenn alle Menschen Zugang zu den Errungenschaften unseres Zeitalters erhalten. Wenn alle Menschen zu Prosumenten – also gleichzeitig Produzenten und Konsumenten – werden können, zahlen sich demnach auch die erforderlichen Investitionen für Wirtschaft und Kapital aus.
Wir erwarten, dass zu vielen Themen unseres Journals bei Ihnen der Wunsch besteht, sich auszutauschen. Daher planen wir eine Kommentarfunktion für unsere registrierten Leser.