Staatssekretärin Heike Raab
© Staatskanzlei RLP/ Marc-Steffen Unger

Digitale Tür zu Bürger*innen und Kommunen aufstoßen

Staatssekretärin Heike Raab: In Rheinland-Pfalz ist Digitalisierung Chefsache / Bis Ende 2019 Bürgerkonten in allen Landkreisen | Interview

In digitaler Bildung und Medienkompetenz sei Rheinland-Pfalz Spitze, erklärt Staatssekretärin Heike Raab. Im Gespräch mit Verwaltung der Zukunft spricht die SPD-Politikerin nicht nur über „Digitalbotschafter“, sondern auch über das nunmehr zweijährige Digitalisierungskabinett unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern beim OZG und „agile Teams“ in der Mainzer Staatskanzlei.
Heike Raab ist Staatssekretärin in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz und zuständig für Bundes- und Europaangelegenheiten. Zuvor war sie im Landesinnenministerium IT-Beauftragte der Landesregierung und CIO.
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Verwaltung der Zukunft: Fast zwei Jahre „Digitalisierungskabinett“ in Rheinland-Pfalz – was hat sich seither in der Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen den Ressorts geändert?

Raab: In Rheinland-Pfalz ist Digitalisierung Chefsache. In der Staatskanzlei leitet Ministerpräsidentin Malu Dreyer seit 2016 das bundesweit erste Digitalisierungskabinett. Seitdem ist die Abstimmung viel intensiver geworden und die Synergien, vor allem bei Querschnittsthemen der verschiedenen Ressorts, sind deutlich zu erkennen. Unter der ressortübergreifenden Dachmarke „Rheinland-Pfalz Digital. Wir vernetzen Land und Leute“ geht die Landesregierung die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung an und hat gemeinsam im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern von Rheinland-Pfalz, Expertinnen und Experten sowie Verbänden und Unternehmen die „Strategie für das digitale Leben Rheinland-Pfalz“ erarbeitet. Darin haben wir die relevanten Maßnahmen gebündelt, um in Rheinland-Pfalz die richtigen Weichen für die Digitalisierung zu stellen.

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Die Abstimmung ist viel intensiver geworden und die Synergien, vor allem bei Querschnitts-themen der verschiedenen Ressorts, sind deutlich zu erkennen.

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VdZ: Wie stimmen Sie sich von Seiten des Digitalisierungskabinetts auch mit dem „Demografiekabinett“ ab?

Raab: Der demografische Wandel ist nicht nur ein großer gesellschaftlicher Trend, sondern auch eine große Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Die Digitalisierung kann Chancen und Möglichkeiten bieten, den Herausforderungen des demografischen Wandels zu begegnen. So kann sie beispielsweise Möglichkeiten schaffen, damit die Menschen länger selbstbestimmt dort leben können, wo sie es möchten – auf dem Land oder in der Stadt. Der demografische Wandel darf vor allem bei den Entwicklungen der Digitalisierung nicht vernachlässigt werden. Besonders älteren Menschen fällt es häufig noch schwer, mit neuer Technik umzugehen. Hier müssen wir neue Wege finden, um den Menschen dabei zu helfen. Eine unserer Lösungen ist hier das Projekt der Digitalbotschafterinnen und Digitalbotschafter. Wir bilden Menschen zu Digitalbotschaftern aus, damit sie Mitmenschen, denen der technische Fortschritt an der einen oder anderen Stelle noch schwerfällt, helfen können – unkompliziert und wohnortnah.

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Wir bilden Menschen zu Digitalbotschaftern aus, damit sie Mitmenschen, denen der technische Fortschritt an der einen oder anderen Stelle noch schwerfällt, helfen können – unkompliziert und wohnortnah.

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Die Abstimmung zwischen dem Demografie- und dem Digitalisierungskabinett hilft sehr dabei, die beiden gesellschaftlichen Trends zu verbinden und Lösungen für gemeinsame Herausforderungen zu erarbeiten.

Von jung bis alt: Rheinland-Pfalz engagiert sich in Sachen digitaler Bildung - das ist im Ländervergleich ersichtlich.
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VdZ: Wo ist Rheinland-Pfalz in puncto Digitalisierung sehr intensiv engagiert und Ihres Erachtens weit fortgeschritten?

Raab: Rheinland-Pfalz ist in vielen Bereichen stark – aber um ein Beispiel zu nennen – bundesweit vorne liegen wir im Bereich der Medienkompetenz. Die raschen Fortschritte und Veränderungen in der Digitalisierung sind ohne Frage eine Herausforderung – die Vermittlung von Medienkompetenz hat deswegen bereits in der frühkindlichen Bildung einen hohen Stellenwert. Damit wir unsere Kinder für die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung fit machen können, brauchen wir gut ausgebildete Lehrkräfte. Bereits 2007 wurde das Landesprogramm „Medienkompetenz macht Schule“ ins Leben gerufen. Im Mittelpunkt steht die umfassende Förderung der Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften, Eltern und Referendarinnen und Referendaren. Teile des Landesprogramms sind unter anderem die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften, der freiwillige Erwerb des MedienkomP@ss.rlp als Zusatzqualifikation für Schülerinnen und Schüler sowie die Einbindung von Eltern und Erziehungsberechtigten. Rheinland-Pfalz steht damit seit Jahren im Ländervergleich bei der digitalen Bildung ganz vorne.

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Wir brauchen mehr passgenaue Angebote, deshalb wünsche ich mir, dass auch die Kommunen und unsere Landkreise ihre eigenen kommunalen Digitalstrategien entwickeln.

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VdZ: Was halten Sie für eine erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben für entscheidend? Worauf kommt es bei den anstehenden Projekten an?

Raab: Für uns als Landesregierung steht bei allen unseren Überlegungen der Mensch und nicht die Technik im Mittelpunkt. Wir wollen die Digitalisierung in die Fläche bringen, es ist nicht nur ein Thema für die Stadt. Wir haben deshalb erfolgreiche Modellprojekte wie die digitalen Dörfer in den Verbandsgemeinden Betzdorf-Gebhardshain, Eisenberg und Göllheim und die Modellkommune e-Government im Landkreis Cochem-Zell initiiert. Beide werden jetzt für den landesweiten Rollout, das heißt für das flächendeckende Angebot, vorbereitet. Bis Ende 2019 sollen in allen Landkreisen Bürgerkonten im Kontakt mit der öffentlichen Verwaltung verfügbar sein. Es wurden Angebote erarbeitet, die das gute und traditionelle Dorfleben im Digitalen weiterleben lassen. Das ist wichtig für die Krankenschwester im Schichtdienst oder Pendler. Wir brauchen aber mehr solche passgenauen Angebote, deshalb wünsche ich mir, dass auch die Kommunen und unsere Landkreise ihre eigenen kommunalen Digitalstrategien entwickeln und wir wollen das im Rahmen von Pilotprojekten auch unterstützen.

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Bis Ende 2019 sollen in allen Landkreisen Bürgerkonten im Kontakt mit der öffentlichen Verwaltung verfügbar sein.

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VdZ: In welchen Feldern der digitalen Entwicklung sehen Sie schon heute besonderen Bedarf, sich mit anderen Ländern und dem Bund auszutauschen?

Raab: Wir möchten die digitale Tür zum Rathaus aufstoßen, damit man die Angebote rund um die Uhr nutzen kann. Auch der rechtliche Rahmen wurde angepasst:

Noch 2019 "auf die Straße bringen": Bund und Länder haben Mitte März die staatsrechtlichen Grundlagen für die Föderale IT-Kooperation (FITKO) gelegt, die noch im September offziell gegründet werden soll.

Bund und Länder haben sich auf der Grundlage des Onlinezugangsgesetzes das Ziel gesetzt, Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch elektronisch anzubieten. Es ist dabei unerlässlich, dass Bund, Länder und die Kommunen sehr eng zusammenarbeiten. In sogenannten Themenfeldern, in denen die zunächst 575 wichtigsten Verwaltungsleistungen strukturiert sind, arbeiten alle föderalen Ebenen zusammen. Hier werden gemeinschaftlich mithilfe von Digitalisierungslaboren Lösungen erarbeitet, die in den Verwaltungen eingesetzt werden können. Gesteuert werden diese Maßnahmen vom IT-Planungsrat. Die Komplexität sowie die Vielzahl der Aufgaben des IT-Planungsrats machen es erforderlich, einen Unterbau zu schaffen, der als operative Einheit fungiert. Diese Unterstützungseinheit soll als Anstalt des öffentlichen Rechts für föderale IT-Kooperation (FITKO) in gemeinsamer Trägerschaft aller Länder und des Bundes mit Sitz in Frankfurt am Main gegründet werden. Der entsprechende IT-Staatsvertrag wurde am 21. März 2019 von den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder unterzeichnet, damit nach der Ratifizierung in den jeweiligen Parlamenten die FITKO im Januar 2020 ihre Arbeit aufnehmen kann. Von diesen Maßnahmen wird die Verwaltung auf allen Ebenen profitieren: sie wird transparenter, effizienter und bürgernäher.

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Der IT-Staatsvertrag wurde am 21. März 2019 von den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder unterzeichnet.

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VdZ: Wie sieht es bei der infrastrukturellen Basis der Digitalisierung in Rheinland-Pfalz aus?

Raab: Grundlage dafür, die Digitalisierung erfolgreich zu gestalten, ist eine gute digitale Infrastruktur. Gigabitfähige Breitbandnetze und leistungsfähiger Mobilfunk sind unerlässliche Versorgungsleistungen für die Menschen und die Unternehmen in unserem Land. Der Ausbau der Breitband- und Mobilfunkinfrastruktur ist überall in Deutschland essentiell, sowohl in den urbanen Gebieten als auch in den ländlichen Räumen. Dies ist entscheidend für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Anfang des Jahres hat die Landesregierung die Netzbetreiber deshalb zum Runden Tisch Mobilfunk eingeladen, um über die Beseitigung der noch immer vorhandenen Versorgungslücken im Land zu sprechen. Bei diesem Gespräch haben die Mobilfunkanbieter angekündigt, dass bis 2021 99 Prozent der Haushalte in Rheinland-Pfalz versorgt sein sollen. Für die hierüber hinausgehende flächendeckende Versorgung bedarf es eines Bundesförderprogramms. Hierzu hat der Bundesrat auf Initiative von Rheinland-Pfalz im März mit breiter Mehrheit eine Entschließung verabschiedet, die die Bundesregierung auffordert, ein Förderprogramm für den Mobilfunk aufzulegen.

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Bei Digitalthemen gelingt uns das schon sehr gut: Durch agile Teams innerhalb der Staatskanzlei, die einen schnellen und unkomplizierten Austausch ermöglichen und der Entwicklungsgeschwindigkeit von Themen der Digitalisierung gerecht werden.

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VdZ: Welche Formate gibt es für einen erfolgreichen ebenenübergreifenden Austausch - wie ist es mit „dynamischen" Arbeitsweisen bei Ihnen?

Raab: Für einen erfolgreichen Austausch braucht es flexible und agile Formate. Es bedarf häufig einer kurzfristigen, schnellen und guten Abstimmung. Bei Digitalthemen gelingt uns das beispielsweise schon sehr gut durch agile Teams innerhalb der Staatskanzlei, die einen schnellen und unkomplizierten Austausch ermöglichen und der Entwicklungsgeschwindigkeit von Themen der Digitalisierung gerecht werden. Da Digitalisierungsthemen bereits heute und auch in Zukunft nahezu alle Bereiche in Verwaltungen und Behörden ebenso wie in Unternehmen betreffen, werden agile Arbeitsweisen an Bedeutung gewinnen, damit die Digitalisierung aktiv gestaltet und genutzt werden kann und nicht bloß auf Entwicklungen reagiert wird.