Martin Atassi
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"Das hätte nach klassischer Methode nicht funktioniert!"

Atassi: M-Government verändert die Spielregeln / Erst die Bürger, dann die Technik

Neun Jahre in der Telekommunikationsbranche waren eine „geile Zeit“, erklärte Martin Atassi, „aber jetzt bin ich in die Verwaltung gewechselt und erlebe wirklich etwas!“ Atassi "switchte" vor rund sechs Monaten gemeinsam mit der österreichischen Bundesministerin für Digitalisierung, Margarete Schramböck, von Telekom Austria in die Bundesregierung – und hat schon einiges auf den Weg gebracht. Vielleicht zuallererst einen Mentalitätswechsel.

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Einen Mentalitätswechsel brauchte es, um die Anforderungen „von ganz oben“ zu erfüllen: Die zehn meist gebrauchten Bürger-Services durch Mobile Government abbilden. „Unser Bundeskanzler Sebastian Kurz wollte, dass die Anwendungen bis zum Beginn der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft Anfang Juli fertig sind.  Das war vor rund fünf Monaten. Mittlerweile steht der erste Launch kurz bevor. „Das hätte nach klassischer Methode nicht funktioniert“, betonte Atassi. Mehr noch: Es wäre selbst schwierig gewesen, überhaupt vernünftig auszuschreiben.   

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Es muss einfach schnell gehen!

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Erst mal zum „minimal überlebensfähigen Produkt“

Denn zumeist wird analysiert, befragt, konzipiert und dann jemand beauftragt („gepartnert“) und das alles, bevor die eigentliche entwicklungstechnische Arbeit beginnt. „Was es braucht, ist eine andere Arbeitsweise!“ Für Atassi gehören Design Thinking und agiles Arbeiten genauso dazu wie sofortige Kundenorientierung. Zum Beispiel durch die Entwicklung eines MVP – Minimum Viable Product. Das heißt ein „minimal überlebensfähiges Produkt", also die erste gerade so funktionsfähige Entwicklungsstufe. Die Devise: den Kundenbedarf erst mal mit geringstem Aufwand decken, Feedback einholen und dann weiterentwickeln.  

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In dieser Phase fallen dann oft die letzten 20 Prozent unter den Tisch – nämlich der eigentliche Zugang zum Bürger.

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Technische Entscheidungen zurückstellen…

Viele Digitalisierungsprojekte würden auf Grundlage technischen Verständnisses entwickelt, so Atassi. Jahrelang werde gebaut und gebaut, bis der Druck irgendwann so hoch ist, dass die Politik schnellst möglich Ergebnisse sehen will. „In dieser Phase fallen dann oft die letzten 20 Prozent unter den Tisch – nämlich der eigentliche Zugang zum Bürger.“ Es geht aber auch anders.

… und zuerst die Bürger fragen

Er habe mit dem Bürger begonnen und gegen viel Widerstand geweigert, vorschnell technische Entscheidungen zu treffen. Atassi ist sich sicher: „Es wäre der falsche Zeitpunkt gewesen.“ Stattdessen lud sein Team 20 Bürger ein, um ihnen den Service zu zeigen und Feedback einzuholen. Ein Umstand, den die Verwaltung bislang nicht gewohnt ist.  „Es ist aber wirklich etwas anderes, wenn ich mich zum Bürger setze, ihm in die Augen schaue, zuhöre, Notizen mache und lerne.“ Das sei mühsam, lohne sich aber, weil es so im Nachhinein zügiger vorangehe.

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Veränderungen müssen von der Unternehmensspitze nicht nur angestoßen werden, sie müssen auch dort beginnen!

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Dr. Margarete Schramböck ist Österreichs Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.
© BMDW/Christian Lendl

Ministerin bietet Mitarbeitern das „Du“ an

„Und es muss einfach schnell gehen!“, bekräftigte der Digital-Experte. Jede Woche seien alle Fragen zu entscheiden, die entschieden werden könnten. Das funktioniere nur mittels kurzer Entscheidungswege. Es brauche Mut zur Veränderung und entsprechende Führung: „Veränderungen müssen von der Unternehmensspitze nicht nur angestoßen werden, sie müssen auch dort beginnen!“ Mit dem Satz „Ich bin die Margarete aus Tirol“ habe seine Ministerin bei Amtsantritt ganz in diesem Sinne allen Mitarbeitern das „Du“ angeboten – ein Umstand, der in Österreich genauso wie hierzulande zumindest auf ministerieller Ebene recht einmalig sein dürfte. Es ist zu hoffen, dass sich das bei der Verbreitung und Weiterentwicklung der neuen Arbeitsweisen rundum das österreichische M-Government genau anders verhält.