Horst Seehofer im Digitallabor; Zukunftskongress Staat & Verwaltung; BMI; Messe; OZG
© Simone M. Neumann/Wegweiser Media & Conferences GmbH

„Von Mut und Zuversicht leiten lassen“

Seehofer: Bei der Digitalisierung kommt es auf die Nützlichkeit und die Qualifizierung der Beschäftigten an |Plädoyer für Strukturpolitik | Erstmaliger Besuch eines OZG-Labs

Bundesinnenminister Horst Seehofer zeigte sich auf dem 7. Zukunftskongress Staat & Verwaltung optimistisch, dass die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) weiterhin an Fahrt aufnehmen wird. Die Entwicklung signalisiere, dass sich viele neue Wege etwa durch die Innovationslabore eröffneten – eines dieser „OZG-Labs“ besichtigte der Ressortchef erstmals im Anschluss seiner Keynote am Messestand seines Ministeriums. Seehofer nahm sich danach lange Zeit, um sich die agile Vorgehensweise darlegen zu lassen.
Innovative Ansätze, um das reine „Spezialisten-Denken“ mit Nutzern und Stakeholdern zusammenzubringen. Im provisorisch errichteten Lab des BMI auf dem Zukunftskongress zeigt Unterabteilungsleiter Ernst Bürger (2. v. l.) Minister Seehofer wie gearbeitet wird.
© Simone M. Nerumann/Wegweiser

Zuvor hatte der frühere Ministerpräsident und CSU-Chef sein heutiges Ressort für die Arbeit rundum das OZG gelobt. Er habe vier Bundesministerien geleitet und könne einschätzen, wann etwas von Qualität sei, sagte Seehofer. Auch sei ihm während seiner Amtszeiten viel Beharrungsvermögen bei der Einführung neuer Technologien begegnet. Anders nun im BMI: „Große Dinge kann man nur mit großen Persönlichkeiten bewältigen“, genau diese seien in seinem Haus mit dem Thema Digitalisierung befasst. 

Schnelles Netz bis in jeden Winkel

„Es braucht mehr Tempo“, räumte er ein, trotzdem gab Seehofer die Zusage, die 575 öffentlichen Dienstleistungen bis Ende 2022 „in etwa“ zu erreichen. So erkundige er sich bei jedem Treffen, ob man im Zeitplan sei. Der Minister sieht ein Menge „Dynamik und Magnetwirkung“, viele Gemeinden und Landkreise machten sich von selbst auf den Weg in die digitale Welt. Dabei müssten sie im Zweifel beim Breitbandausbau unterstützt werden: „Alles bleibt Schall und Rauch, wenn es uns nicht gelingt, die digitale Infrastruktur in Deutschland optimal zu gestalten – und zwar flächendeckend überall.“

»

Alles bleibt Schall und Rauch, wenn es uns nicht gelingt, die digitale Infrastruktur in Deutschland optimal zu gestalten – und zwar flächendeckend überall.

«

Infrastrukturgesellschaft mit öffentlicher Beteiligung

Seehofer kündigte an, dass die von ihm und den Bundesministerinnen Giffey und Klöckner ins Leben gerufene „Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse“ vorschlagen wird, eine Infrastrukturgesellschaft einzusetzen. Unter Beteiligung der öffentlichen Hand komme dieses Instrument dann immer dann infrage, „wenn es aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist, dass Unternehmen die Versorgung mit schnellem Netz gewährleisten“. Sogenannte „Weiße Flecken“ machen weiterhin zwischen 15 und 20 Prozent der bundesdeutschen Fläche aus. „Wir brauchen schnelles Internet in jedem Winkel dieser Republik!“

Diskutierten Digitalisierungs- und Strukturpolitik von der Kommune über die Länder bis zum Bund (v. l. n. r.): Nds. Landesinnenminister Boris Pistorius, Bundesinnenminister Horst Seehofer, Moderatorin Anke Plättner und Landrat Markus Bauer (Salzlandkreis).
© Simone M. Neumann/Wegweiser

Im BMI soll es mehr mobiles Arbeiten und Home Office geben

Ein Hemmschuh in der Entwicklung stellten allerdings immer mehr die fehlenden IT- und Digitalisierungsexperten dar. Der Minister versprach, die Möglichkeiten zur mobilen Beschäftigung und für Home Office in seinem eigenen Haus und den nachgeordneten Behörden „spürbar“ auszuweiten. Dabei geht es bundesweit immerhin um rund 80.000 Mitarbeiter. „Das sieht nicht jeder Staatssekretär gern, der glaubt, Mensch muss immer anwesend und präsent sein, aber mich interessiert, ob die Arbeit erledigt ist – ob dies Zuhause in der Küche oder Wohnzimmer oder im Büro im Ministerium gemacht wird, ist mir zweitrangig. Hauptsache sie wird erledigt und gut erledigt.“  

»

Das sieht nicht jeder Staatssekretär gern, der glaubt, Mensch muss immer anwesend und präsent sein, aber mich interessiert, ob die Arbeit erledigt ist – ob dies Zuhause in der Küche oder Wohnzimmer oder im Büro im Ministerium gemacht wird, ist mir zweitrangig.

«

Strukturpolitik wirkt – langfristig

In der Diskussion mit dem niedersächsischen Landesinnenminister Boris Pistorius und dem Landrat des Salzlandkreises (Sachsen-Anhalt), Markus Bauer, unterstrich der CSU-Politiker die Wirksamkeit von Strukturpolitik. So habe sich etwa im ehemaligen „Zonenrandgebiet“ im bayerischen Franken, wo es 40 Jahre kaum Investitionen gegeben hatte, in den letzten Jahren eine Menge getan: „Oberfranken ist heute eine der stärksten Regionen Bayerns und war zum Zeitpunkt der deutschen Einheit die schwächste.“ Dafür brauche es aber gezielte Strukturpolitik und Zeit. Einen „zarten Achtungserfolg“ sieht Seehofer ebenso in Teilen der neuen Bundesländer, wohin Menschen mittlerweile zurückzögen oder sich ganz neu ansiedelten.

»

Wir stellen den Braunkohleabbau ein - ein Riesenbeitrag für den Klimaschutz -, wir haben aber eine unheimliche Fähigkeit das zu verschweigen, sodass das überhaupt keiner merkt.

«

Eine Antwort auf den YouTuber „Reso“

Bei den großen Strukturwandelprozessen brauche es vor Ort, gesellschaftlich und in der Politik einen Bewusstseinswandel. „Das ist auch ein Mangel dieser Koalition: Wir stellen den Braunkohleabbau ein – ein Riesenbeitrag für den Klimaschutz –, aber wir haben eine unheimliche Fähigkeit das zu verschweigen, sodass das überhaupt keiner merkt.“ Seehofer fasste zusammen: Deutschland steigt aus der Atomenergie aus, versorgt sich mit Erneuerbaren Energien und macht nun den Weg für den Braunkohleausstieg frei, der in vier Bundesländern weitere gewaltige Strukturprozesse nach sich zieht. Dabei lasse man die Länder aber nicht allein, sondern habe 40 Mrd. Euro zugesagt, siedle Behörden und wissenschaftliche Einrichtungen an. „Das wäre zum Beispiel eine Antwort auf den YouTuber gewesen!“, erklärte der Minister im Hinblick auf die Kritik an der CDU-Schwesterpartei.