Fünf junge Leute schauen gemeinsam auf Tablets
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Der BAföG-Antrag digital macht vieles einfacher

Interview mit dem Digitalisierungsexperten Falk Lepie zum Start des Online-Antrags

Eine der bundesweiten OZG-Leistungen ist der BAföG-Antrag. Unter Federführung von Sachsen-Anhalt wurde seit Anfang 2019, also in gut anderthalb Jahren und unter Corona-Bedingungen, ein einheitliches Portal aufgesetzt, das in Zukunft bundesweit allen Studierenden die digitale Beantragung von BAföG erleichtern wird. VdZ sprach mit Falk Lepie, Digitalisierungsexperte im Ministerium der Finanzen Sachsen-Anhalt, der seit der ersten Minute das Projekt begleitete.

Der GoLive war für den 1. Oktober 2020 vorgesehen, musste aber verschoben werden. Ab wann werden Studierende ihren Antrag über das bundesweite Portal stellen können? 

Falk Lepie: Wir werden ab dem 26. Oktober 2020 den Online-Antrag in einem Bundesland zur Verfügung stellen. Da gab es jetzt auf den letzten Metern noch eine ganze Reihe Detailabstimmungen. Aber wir sind guter Dinge, dass die meisten der fünf Pilotländer den BAföG-Antrag live nehmen. Die übrigen kommen dann ganz schnell nach.

Welches Bundesland wird das erste sein?

Sachsen-Anhalt als Federführer wird als erstes fertig sein, aber die finalen Abstimmungen in den anderen Ländern laufen auch gut, so dass höchstwahrscheinlich mehrere Länder den geplanten Start schaffen.  

Trotzdem kann man ja von einem Erfolg sprechen, oder?

Absolut! Wir haben ja unterschieden zwischen dem Start der Pilotphase am 1. Oktober und dem Start für alle Bundesländer am 1. Januar 2021. Am 1. Oktober wollten wir mit fünf Piloten starten und in den Pilotbetrieb gehen. Das heißt die Studierenden stellen dann schon den richtigen Antrag, keinen Test-Antrag. Der Stichtag zum Jahresbeginn 2021 bedeutet, dass sich auch weitere Länder ganz regulär dem Online-Dienst anschließen können. In den ersten Monaten des kommenden Jahres werden dann alle 16 Bundesländer diesen Online-Dienst nutzen.

Wer war im Digitalisierungslabor vertreten?

Es war ein sehr guter Mix: Wir hatten Vertreter der rechtsgebenden Stelle, also des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die gleichzeitig Product Owner sind. Wir haben zwei Vertreter von BAföG-Ämtern dabeigehabt – und das hat ganz entscheidend zum Erfolg des Projektes beigetragen. Denn die Mitarbeitenden in den BAföG-Ämtern sind diejenigen, die jeden Tag Kontakt mit den Antragstellenden haben. Wir hatten auch einen Studenten im Digitalisierungslabor, er lieferte guten Input in Bezug auf die Nutzerfreundlichkeit. Vorher wurde eine ganze Reihe von Studierenden sehr detailliert befragt, und mit dem Ergebnis der Befragungen sind wir in das Labor gestartet. Außerdem waren Vertreter der zuständigen Landesministerien dabei, diejenigen, die in den Ländern organisieren, dass man BAföG beantragen kann. Wir hatten einen Vertreter der OZG-Federführung, der dann auch gleichzeitig der Digitalisierungsexperte der Verwaltung war mit dem Allgemeinblick auf das Thema. Er hat Themen eingeordnet wie Nutzerkonto und Portalverbund. Schließlich waren vom Dienstleister UX- und UI-Experten dabei und jemand, der methodisch und moderierend durch das Labor geführt hat.

Die Zahl der Anträge sinkt, obwohl es mehr Berechtigte gibt. Die bundesweite digitale Antrag wird die Beantragung von BAföG erleichtern.
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Was waren die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Digitalisierungslabor?

Die bezogen sich auf die drei Themen Elternantrag, Vereinfachung und Folgeantrag. Das Thema Elternantrag ist ein Schwerpunkt der Befragten gewesen. Elternantrag bedeutet, dass die Studierenden aus dem Onlinedienst heraus ihre Erziehungsberechtigten per E-Mail einladen können, den Elternantrag auszufüllen. Sie bekommen dann einen Deep-Link zugeschickt, über den sie direkt in den Teil einsteigen, der passend zu ihrem Kind ist. Hintergrund ist der, dass die Antragstellenden gesetzlich verpflichtet sind, zu ihren Eltern Kontakt aufzunehmen – und das ist nicht so selbstverständlich, wie man das glauben mag.

Zweite Erkenntnis, die umgesetzt wurde: Den Antrag vereinfachen. Wir stellen jetzt zu Beginn des Antrags Kernfragen und bauen dann dahinter den Antrag entsprechend der Antworten zusammen. Wenn ich ins Amt gehe, ist es ja anders. Dort bekomme ich alle Teile eines Antrags in die Hand gedrückt und dann muss ich selbst schauen, welchen ich davon brauche. Einen Teil brauche ich vielleicht nicht auszufüllen, wenn ich nicht verheiratet bin und keine Kinder habe. Beim digitalen Antrag ist es so: Man beantwortet Schlüsselfragen und aus diesen Antworten heraus generiert sich dann der jeweilige Antrag passend zum Antragstellenden.

Der dritte Schwerpunkt ist das Thema Folgeantrag. Da sich von Semester zu Semester in der Regel sehr wenig ändert, ist das sozusagen die größte Vereinfachung: Wenn man den Erstantrag einmal gestellt hat, lässt sich mit wenigen Klicks ein Folgeantrag einreichen. Denn die Informationen aus dem letzten Jahr sind hinterlegt und der Antragstellende kann leicht auf sie zugreifen.  

Sie haben Anfang 2019 mit dem Projekt gestartet, also etwa vor eineinhalb Jahren. Das ist sportlich.

Ja, finden wir auch. Alle Beteiligten hatten natürlich ein hohes Interesse daran, das Projekt voranzubringen. Hilfreich ist auch, dass BAföG eine Bundesleistung ist. Das Ministerium kann also auch einiges an Unterstützung leisten. Die Beantragung ist nun bundesweit einheitlich; bisher hatte ja jedes Bundesland sein eigenes Portal. Was ja auch ein großer Gewinn ist in Bezug auf Studienmobilität: Heutzutage ist es Realität, dass sich Studierende nicht nur an einer Hochschule ausbilden, sondern wechseln. Der digitale BAföG-Antrag trägt dem Rechnung: Egal wo man ist, man kann in Zukunft über die eine Plattform BAföG beantragen.

Bisher haben nur wenige Studierende die Online-Anträge ihres jeweiligen Bundeslandes genutzt, als Hinderungsgrund galt unter anderem die Identifizierung über eID. Wie erfolgt die Identifizierung künftig?

Das Problem der Identifizierung haben alle Online-Dienste. Es ist noch nicht für jeden selbstverständlich, seinen elektronischen Personalausweis zu nutzen. Wir haben da auf das Feedback reagiert. Die Nutzerkonten der Länder werden nach und nach angebunden, ebenso das Nutzerkonto des Bundes. Wer dort schon ein Konto hat, weil er dort eine Leistung beantragt hat, kann dieses Konto nutzen. Im Nutzerkonto ist auch der Personalausweis hinterlegbar. Das ist eine Möglichkeit, sich zu identifizieren. Ich kann mich aber auch ohne ein Nutzerkonto durch den Antrag durchhangeln und am Ende des Antrags dann ein eigenes Konto anlegen, das nur für den Online-Dienst ist. Das dient dann nur dazu, das Ganze abzulegen. Sobald ich mit dem Antrag durch bin, muss ich ihn als PDF ausdrucken und unterschreiben. Denn nur mit dem neuen Personalausweis haben wir ja die Schriftformerfordernis mit abgegolten. Heißt, wenn ich mit der eID-Funktion arbeite, wird mein Antrag sofort durchgereicht und ich muss ihn nicht mehr ausdrucken.

War die Option des Ausdruckens ein Wunsch bei der Vorab-Befragung?

Für viele ist es Okay, das am Ende auszudrucken. Es ist ja trotzdem einfacher. Der digitale Datensatz wird aber trotzdem übertragen. Das ist dann die Vereinfachung, denn auch das BAföG Amt muss das dann nicht mehr abtippen. Hier haben wir versucht, dem Rechnung zu tragen, dass die Identifizierung für den einen oder anderen zu kompliziert ist. Und es gab auch Einzelfeedback, dass es für manche schlichtweg keine Option ist. Sie möchten ihre Daten dafür nicht nutzen. Die Variante mit dem Ausdrucken ist zwar ein kleiner Medienbruch, aber ist in der Summe immer noch eine Erleichterung. 

An welchen Stellen rechnen Sie mit Weiterentwicklungen?

Wir haben ja eine hohe Anzahl von Ausnahmeregelungen. Den super einfachen Antrag, den gibt es ja fast nicht mehr, weil die Lebensumstände nun mal kompliziert sind. Das sind auch Punkte, wo es Weiterentwicklungen geben wird: Den Studierenden eine Übersicht im Online-Antrag zu geben, dass sie sehen, sie bekommen ein Feedback von der Verwaltung. Etwa, dass Nachweise fehlen. Man bekommt dann per sms oder E-Mail eine Nachricht, dass das Fehlende noch hochgeladen werden soll.

Jetzt haben wir viel über die technische Umsetzung gesprochen. Lassen Sie uns noch einen Blick auf die soziale Seite werfen.

Es gibt sinkende Zahlen von Anträgen, obwohl man eine steigende Zahl von Berechtigten hätte – und das war eine große Motivation für alle Beteiligten: Wir wollten den Antrag viel besser aufsetzen, damit die Leute, die es brauchen, auch wirklich einen Antrag stellen. Der Einstieg sollte so einfach sein, dass die Leute auch wirklich beginnen und dann durchhalten.

Mit der Umsetzung des bundesweiten digitalen BAföG-Antrags haben Sie Pionierarbeit geleistet. Wie haben Sie das geschafft?

Wir haben zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Länder eingebunden. Das hätte gefährlich werden können, denn man kann so früh nichts Handfestes berichten. Wie wird denn dies und jenes? Und wann? Diese Fragen kann man nicht beantworten. Wir sind aber das Risiko eingegangen und haben sehr zeitig die Länder, die dafür Zuständigen und die Fachverfahrenshersteller eingebunden. Also die, die dafür sorgen, dass es in der Offline-Welt funktioniert. Und das hat sich als Erfolg gezeigt, denn wir haben zu keinem Zeitpunkt intensiv diskutiert, ob und wer mitmacht, sondern es war von Anfang an unisono: Wir wollen in die gleiche Richtung. Und wir haben jetzt ja auch schon die Zusage von allen 16 Bundesländern, sich mit dem Portal zu verbinden.

Herr Lepie, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Diane Schöppe