Kleinstadt

Kein beliebiges Modernisierungsprojekt

Erfolgsfaktoren für eine digitale Kommune

Die Digitalisierung im kommunalen Bereich wird häufig auf die Verfügbarkeit von Breitband-Kommunikationsnetzen und den Online-Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen reduziert. Diese Sicht verkennt, in welchem Ausmaß und in welcher Vielfalt digitale Angebote für alle Lebensbereiche und Interessenlagen in der Kommune bereits heute vorhanden sind.

Vom Online-Portal für Mitbring-, Mitfahrgelegenheiten oder Car-Sharing über Nachbarschaftshilfe und Internet-Shops für lokale Erzeuger bis hin zu Video-Sprechstunden mit Fachärzten oder Live-Streaming von Theater- und Konzertaufführungen – das Angebot erprobter digitaler Lösungen ist breit und entwickelt sich laufend weiter.

Die Handlungsfelder der Digitalen Kommune im Überblick

Doch so vielversprechend diese Entwicklung für die Lebensqualität gerade auch in kleineren Städten und Gemeinden ist – es kommt wesentlich darauf an, welches Vorgehen gewählt wird, um den für unsere Bürgerinnen und Bürger entstehenden Nutzen digitaler Angebote und die hierfür von den Verantwortlichen aufzuwendenden Ressourcen zu optimieren. Dieser Beitrag will vor diesem Hintergrund die Erfolgsfaktoren einer gelungenen kommunalen Digitalisierung vorstellen.

Es kommt wesentlich darauf an, welches Vorgehen gewählt wird, um den für unsere Bürger entstehenden Nutzen digitaler Angebote zu optimieren.

Konsequent am lokalen Bedarf orientieren

Die Ausgangslage der kommunalen Digitalisierung im ländlichen Raum ist in vielen Gemeinden ähnlich. Dennoch ist der jeweils optimale Weg zu bedarfsgerechten digitalen Bürgerservices so spezifisch wie die Kommunen, die ihn beschreiten wollen. Die Bevölkerungsstruktur und -dichte, die Innovationskraft und -bereitschaft von Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Verwaltung und Kommunalpolitik, die infrastrukturellen Gegebenheiten des Breitbandausbaus und die bereits vorhandenen digitalen Serviceangebote – um nur einige wenige Einflussgrößen zu benennen – unterscheiden sich viel zu stark, um die kommunale Digitalisierung auf Grundlage einer einheitlichen Blaupause in Angriff nehmen zu können. Den Ausgangspunkt jeder erfolgreichen kommunalen Digitalisierungsstrategie bildet daher eine belastbare Bedarfsanalyse unter Einbeziehung aller maßgeblichen Interessenvertreter. Ohne diese Abstimmung digitaler Lösungen auf den ortsspezifischen Bedarf ist das Risiko hoch, dass die Resonanz gering ist. „Genutzt wird nur, was gebraucht wird!“, wie es Marika Puskeppeleit von der „Plattform Ländliche Räume“ der Andreas-Hermes-Akademie kurz und sehr treffend formuliert.

Leistungsfähige Breitbandverbindungen: Eine Voraussetzung kommunaler Digitalisierung, aber längst nicht alles.
© ThomBal/Shutterstock.com

Digitalisierung als Bestandteil der Daseinsvorsorge für alle begreifen

Die Digitale Kommune bietet allen Bevölkerungsgruppen neue Möglichkeiten. Sie ist keinesfalls die exklusive, von der übrigen Lebenswelt der Kommune getrennte Nische der örtlichen „digital Nerds“. Ebenso wenig begründet sie eine Zwei-Klassen-Gesellschaft von bereits „digital“ und noch „analog“ lebenden Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Ganz im Gegenteil bietet kommunale Digitalisierung etwa gerade für ältere Menschen im Bereich der medizinischen Betreuung, der Mobilität oder der zwischenmenschlichen Beziehungen sehr attraktive Perspektiven. Entscheidend ist daher, alle Bevölkerungsgruppen –- auch die ohne Computererfahrung – sowohl bei der Bedarfsanalyse und Konzeption als auch bei der Ausgestaltung der Bedienungslogik einer Lösung sowie den Formaten zur Schulung und Betreuung ihrer Anwender in besonderer Weise zu berücksichtigen.

Entscheidend ist, alle Bevölkerungsgruppen sowohl bei der Bedarfsanalyse und Konzeption als auch bei der Ausgestaltung der Bedienungslogik einer Lösung sowie den Formaten zur Schulung und Betreuung ihrer Anwender in besonderer Weise zu berücksichtigen.

An Vorhandenes anknüpfen

Kommunale Digitalisierung steht nicht in Konkurrenz zu den etablierten Strukturen und Angeboten im ländlichen Raum. Digitale Lösungen tragen im Gegenteil dazu bei, die bestehenden sozialen Netzwerke zu vertiefen (z. B. durch Lösungen zur Unterstützung der Nachbarschaftshilfe oder eine digitale Ehrenamtsbörse), die Zuzugsbereitschaft in die ländliche Kommune zu befördern (z. B. durch Services zur Verbesserung der Mobilität) oder den Verbleib im vertrauten Umfeld zu erleichtern (z. B. durch telemedizinische Angebote für ältere oder chronisch kranke Patienten). Digitale Lösungen knüpfen dabei an die „analoge“ Welt der Gemeinde an, indem sie sich auf die vorhandenen Einrichtungen stützen oder etablierte nicht-digitale Angebote einbeziehen. So empfehlen sich etwa in Markttreffs oder VHS-Stützpunkten öffentliche Zugänge zu digitalen Services, bei deren Nutzung computerunerfahrene Anwender aktiv unterstützt werden. Videosprechstunden mit Fachärzten sind ebenso in den Räumen des ortsansässigen allgemeinpraktischen Arztes vorstellbar. Und „Mitfahrbänke“ oder ehrenamtliche Bürgerbusse lassen sich wirkungsvoll in ein digitales Mobilitätsmanagement integrieren.

„Mitfahrbänke“ oder ehrenamtliche Bürgerbusse lassen sich wirkungsvoll in ein digitales Mobilitätsmanagement integrieren.

Mit einer kommunalen Digitalen Agenda den Planungsrahmen abstecken

Die Digitale Kommune kennt viele unterschiedliche Handlungsfelder. Alle Experten warnen vor diesem Hintergrund eindringlich davor, die Digitalisierung der ländlichen Kommunen ohne eine überlegt fokussierte und priorisierte Mehrjahresplanung anzugehen. Im Mittelpunkt dieser Digitalisierungsplanung (vielfach als „Digitale Agenda“ bezeichnet) steht ein an den identifizierten Bedarfsprioritäten ausgerichtetes Konzept für die stufenweise Entwicklung und Etablierung digitaler Bürgerservices. Da sich die Umsetzung vollflächiger digitaler Angebote mit diversen konzeptionellen, technologischen und ressourcenbezogenen Herausforderungen verbindet, ist es nicht ratsam, die Planung auf weniger als fünf Jahre auszulegen. Insoweit auf regionaler oder Landesebene bereits Strategien, Standards oder bewährte Lösungen existieren, sollte eine kommunale Digitale Agenda auf „Anschlussfähigkeit“ achten. Dies sichert die Vereinbarkeit der eigenen Planung mit den überörtlichen Zielen und Umsetzungsvoraussetzungen und erhöht damit die Chance, Konzepte und Lösungen in der Kooperation mit anderen Kommunen zu entwickeln oder von diesen zu übernehmen.

Da sich die Umsetzung vollflächiger digitaler Angebote mit diversen konzeptionellen, technologischen und ressourcenbezogenen Herausforderungen verbindet, ist es nicht ratsam, die Planung auf weniger als fünf Jahre auszulegen.

Erreichbare Etappenziele definieren

Von der Notwendigkeit, sich optimal vorbereitet und abgestimmt auf den Weg zur Digitalen Gemeinde zu begeben, war bereits die Rede. Erfolgsentscheidend sind in diesem Zusammenhang erreichbare Etappenziele. Im Sinne eines „Weniger ist mehr!“ ist dabei insbesondere zu Beginn des Digitalisierungsprozesses auf rasche Erfolge und einen breiten Nutzen zu achten, um das Projekt ins Gespräch zu bringen und ihm den nötigen Rückenwind zu verschaffen. Dies hilft bei der Etablierung digitaler Services, die sich zunächst einschwingen müssen und daher erst nach einiger Zeit Akzeptanz erzielen (z.B. lokale Shopping-Portale im Internet). Jedes Etappenziel sollte mit klaren, möglichst messbaren Erfolgskriterien (z.B. Nutzerzahl eines bestimmten Serviceangebots) untersetzt werden, um die Bewertung der Zielerreichung zu erleichtern.

Keine Insel-Lösungen, sondern bei der Digitalisierung der Kommunen möglichst aufeinander aufbauen und an Bestehendes anknüpfen.

LEGO®-Strategie anwenden

Nicht selten finden sich isolierte digitale Lösungen für einzelne Serviceangebote nach einigen Jahren in einer Sackgasse wieder, weil sie nicht ausbaufähig oder finanzierbar sind. Deutlich aussichtsreicher sind digitale Angebote, die sich in eine modular angelegte Architektur einfügen. Diese modular auf der Basis der „LEGO®-Strategie“ konzipierten Angebote sind im Gegensatz zu Individuallösungen miteinander kombinierbar, in Kommunen unterschiedlicher Größe einsetzbar und durch andere Kommunen mit geringem Aufwand nutzbar. Die von mehreren digitalen Angeboten gemeinsam genutzte Lösungsplattform mit einer einheitlichen Serviceinfrastruktur führt zu einer deutlich verbesserten Wirtschaftlichkeit der Softwareentwicklung und sichert auch langfristig eine hohe Professionalität bei Systembetrieb und Anwenderbetreuung. Unterschiedlichste Anbieter können auf der Basis einer standardisierten Lösungsplattform eigene Anwendungen und Basisdienste entwickeln, Regionen maßgeschneiderte digitale Services realisieren und dabei ortsansässige Technologiepartner einbinden – kein unwesentlicher Aspekt der regionalen Wirtschaftsförderung speziell im Bereich der mittelständischen IT-Unternehmen vor Ort.

Verfügbare Lösungen übernehmen und anpassen

Für nahezu jedes Einsatzszenario im ländlichen Raum sind inzwischen erprobte digitale Lösungen verfügbar. Vielfach liegen die Nutzungsrechte an diesen IT-Anwendungen bei öffentlich-rechtlichen Institutionen, was die Übernahme durch andere kommunale Einrichtungen – auf der Grundlage der „Kieler Beschlüsse“ – auch wirtschaftlich überaus attraktiv macht. Die funktionale Reife sowie die geringen Kosten einer Lösung dürfen im Rahmen einer Entscheidung über deren Übernahme jedoch nicht die alleinigen Kriterien sein. Ausschlaggebend ist unter strategischen Gesichtspunkten vielmehr, wie sich die adaptierte Lösung in das modulare Gesamtkonzept der eigenen Digitalen Gemeinde einfügt. Falls dieser übergeordnete Aspekt mit Rücksicht auf ein günstiges oder rasch verfügbares digitales Angebot vernachlässigt wird, ergeben sich „Serviceinseln“, die den ganzheitlichen Ansatz, die Entwicklungsfähigkeit und letztlich die Akzeptanz der Digitalen Kommune nachhaltig gefährden.

Nachhaltigkeit entscheidet über den Erfolg digitaler Angebote

Nicht wenige digitale Lösungen für den kommunalen Bereich, die sich mit Medienpräsenz und Innovationspreisen schmücken, werden im weiteren Verlauf vernachlässigt oder ganz aufgegeben. Es zeigt sich dabei immer wieder, dass es das eine ist, einen kreativen Lösungsansatz in einem Pilotprojekt zum Leben zu erwecken, und ein gänzlich anderes, ein professionell konzipiertes, durchfinanziertes und breit akzeptiertes digitales Serviceangebot dauerhaft zu etablieren. Damit soll keinesfalls der Sinn und Nutzen innovativer Pilotprojekte in Frage gestellt werden, denn sie sind die konzeptionellen Triebfedern der digitalen Entwicklung. Wichtig ist jedoch, diese Initiativen in ein Gesamtkonzept einzubinden und frühzeitig darauf hinzuwirken, dass die entstehenden Lösungen sich auch im Alltag der Gemeinde bewähren und etablieren.

Es zeigt sich dabei immer wieder, dass es das eine ist, einen kreativen Lösungsansatz in einem Pilotprojekt zum Leben zu erwecken, und ein gänzlich anderes, ein professionell konzipiertes, durchfinanziertes und breit akzeptiertes digitales Serviceangebot dauerhaft zu etablieren.

Fehler zulassen, Führungs- und Entscheidungskultur anpassen

Vielfach mangelt es unserer Führungs- und Entscheidungskultur an Fehlertoleranz. Einmal getroffene Festlegungen zur Durchführung eines Projektes oder zu einer bestimmten Lösungsstrategie dürfen nicht mehr in Frage gestellt werden. Falls diese nicht aufrechterhalten werden können, gelten das Projekt und mit ihm oftmals alle ähnlichen Initiativen oder Lösungswege als „gescheitert“. Die kommunale Digitalisierung befindet sich – gemessen an den strategischen Zielen der Digitalen Gemeinde – noch am Beginn ihrer Entwicklung. Nicht alle Risiken und Unwägbarkeiten eines innovativen Angebots lassen sich daher bereits in der Planungs- und Konzeptionsphase überblicken. Dies gilt im besonderen Maße für die spätere Nutzerakzeptanz eines digitalen Serviceangebots, die häufig lediglich prognostiziert werden kann. Falls sich die zu Projektbeginn formulierten Erwartungen nicht bestätigen, muss zweifellos analysiert werden, worin die Gründe für diese Abweichungen liegen. Nur so können erforderlichenfalls Korrekturen an dem fraglichen Projekt vorgenommen und Lehren für ähnliche oder künftige digitale Initiativen gezogen werden. Ein belastbarer Grund, um den Weg zur digitalen Kommune aufzugeben, ist ein schwieriges oder auch gescheitertes Digitalisierungsprojekt jedoch nicht!

Es kann sandig bis steinig werden: Auf dem Weg zur Digitalen Gemeinde stellen sich zahlreiche anspruchsvolle Konzeptions-, Moderations- und Steuerungsaufgaben.
© Dmitry Polonskiy/Shutterstock.com

Breite Unterstützung erreichen

Wie der Erfolg herkömmlicher Serviceangebote werden auch digitale Lösungen zu Recht an der Intensität ihrer Nutzung gemessen. Erfahrungsgemäß empfiehlt es sich daher, repräsentative Vertreter der Zielgruppen der Digitalisierung bereits zu Projektbeginn an der Planung zu beteiligen. Dies gewährleistet die Bedarfsgerechtigkeit der digitalen Angebote und macht die Digitale Gemeinde zu einem gemeinsamen Anliegen aller. Dies ist auch deshalb so wichtig, weil die Digitale Gemeinde kein beliebiges Modernisierungsprojekt ist, dessen Unterstützung durch die Vertreter der Gemeindeverwaltung allein bereits den Erfolg sicherstellt. Die kommunale Digitalisierung kann nur gelingen, wenn sie auf einer breiten Akzeptanz beruht, die alle Bevölkerungsgruppen und die maßgeblichen ortsansässigen Unternehmen einbezieht. Ohne diese Zustimmung ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Digitale Gemeinde zu einer im Wesentlichen von der Verwaltung getragenen Initiative verkümmert, die nur einen Bruchteil des ihr zugedachten Wirkungsgrades erreicht. Die nicht selten sehr niedrigen Nutzerzahlen von eGovernment-Angeboten sollten hier eine deutliche Warnung sein.

Professionelle Begleitung ermöglichen

Auf dem Weg zur Digitalen Gemeinde stellen sich zahlreiche anspruchsvolle Konzeptions-, Moderations- und Steuerungsaufgaben, die hohe Professionalität und Erfahrung erfordern:

  • Strategische Ziele bestimmten und im mehrjährigen Projektverlauf nachjustieren
  • Umsetzungsplanungen mit klaren Erfolgskriterien und Meilensteinen erforderlich
  • Potenzielle Multiplikatoren identifizieren, aktivieren und so dauerhaft motivieren
  • Maßgeschneiderte Beteiligungskonzepte erarbeiten und wirkungsvoll umsetzen
  • Bedarfe strukturiert erheben und in technisch umsetzbare Vorgaben überführen
  • Externe Partner für Softwareentwicklung, Verfahrensbetrieb und Projektmarketing finden und laufend koordinieren

Inwiefern Mitarbeiter der Kommune oder anderer lokaler öffentlich-rechtlicher Träger mit Erfahrung aus vergleichbaren Projekten zur Verfügung stehen oder externe Berater mit der benötigten Expertise phasen- oder themenbezogen eingebunden werden sollten, kann nur aufgrund der spezifischen Gegebenheiten vor Ort sachgerecht entschieden werden.

Thomas Höhn ist Geschäftsführer der Höhn Consulting GmbH und unser Experte in der Kategorie "Digitale Kommune".
© Höhn Consulting GmbH

Die digitale Zukunft beginnt – heute!

Wie die skizzierten Einsatzszenarien digitaler Lösungen deutlich machen, ist kommunale Digitalisierung nicht nur etwas für einige wenige Technikbegeisterte. Sie eröffnet allen Einwohnern neue Möglichkeiten. Und das nicht erst in ferner Zukunft. Vielerorts stehen bereits leistungsfähige Kommunikationsnetze zur Verfügung. Gleiches gilt für zahlreiche Lösungen, die sich praktisch bewährt haben und Akzeptanz finden. Gute Gründe also, sich mit der eigenen Kommune auf den digitalen Weg zu machen. Dieser Weg erfordert neben einer klugen Strategie und einer pragmatischen Umsetzungsplanung engagierte Thementreiber und Akteure, aber auch langfristige Investitionen. Aber das erreichbare Ergebnis, eine moderne Kommune mit vielfältigen digitalen Serviceangeboten in allen Lebensbereichen, kann einen wesentlichen Beitrag leisten, um die Attraktivität nicht nur der vielen ländlich geprägten Gemeinden unseres Landes deutlich zu steigern.