Beschaffung für StartUps öffnen
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Mut zu Risiko und Innovation

Wie man die Beschaffung für Startups und neue Ideen öffnen kann

Aufträge der öffentlichen Hand fordern meist Unternehmen mit langjähriger Erfahrung. Je nach Ausschreibung werden in den Beschaffungsstellen vielerorts Erfahrungswerte aus anderen öffentlichen Projekten hochgehalten. Solche Empfehlungen sind vor Ort bei knappen Ressourcen erst einmal einfach handzuhaben, um die Leistungsfähigkeit von Betrieben einzuschätzen. Sie beziehen sich allerdings auf die Vergangenheit und gelten in einigen Sektoren zunehmend als innovationshemmend. Eine Expertenrunde bespricht, wie man die Beschaffung für Startups und junge Unternehmen mit passenden Lösungen öffnen kann.

Seit Herbst 2013 ist Andreas Rüger als Regierungsdirektor im Referat für das Öffentliche Auftragswesen im BMWi tätig. Das Referat ist für die nationale Rechtsetzung im Vergaberecht zuständig (Gesetzes- und Verordnungsebene). Weiterhin wirkt es insbesondere bei der EU-Gesetzgebung mit und vertritt die Bundesregierung bei Verhandlungen in Brüssel sowie bei Internationalen Organisationen. Um die Beschaffung für junge Unternehmen und Startups zu öffnen, müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst werden, so der Regierungsdirektor. Innerhalb der Vergaberichtlinien müsse mit Blick auf das deutschen Recht und die europäischen Vorgaben mehr auf innovative Beschaffung gelenkt werden. Das Vergabesystem könnte hinsichtlich der Eignungskriterien, der Unternehmensmaßstäbe, der Wirtschaftlichkeit und anhand der Leistungsbeschreibung beeinflusst werden. Diese Komponenten wurden bereits in der Vergaberechtsreform 2016 neu verhandelt.

Wirtschaftlich-strategische Beschaffung

Um jungen Unternehmen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu erleichtern, brauche es eine strategische Beschaffung, so Rüger. Gemeint ist nicht die strategisch-politische Beschaffung, in welcher soziale Unternehmen stärker gefördert werden, sondern ein wirtschaftlicher Blick auf das Verfahren. Der Vergabeprozess muss dabei als Teil eines größeren betrachtet werden, das heißt das Vergabeverfahren muss vor- und nachbereitet werden. Dafür wäre im ersten Schritt zu analysieren, wo die eigenen Bedarfe liegen und welche Lösungen sich derzeit auf dem Markt befinden, gefolgt von einem rechtlich sauberen Vergabeverfahren. Im Anschluss muss überprüft werden, ob und wie gut die Leistung erbracht und der Vertrag somit eingehalten wurde. Vertragsmanagement müsse grade bei jungen Unternehmen eine noch größere Rolle spielen, so Rüger.

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Eignungskriterien werden durch öffentliche Träger oft  zu hoch gesetzt.

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Andreas Rüger

Individuelle Vergabeverfahren

 „Eignungskriterien werden durch öffentliche Träger oft  zu hoch gesetzt“, meint Rüger. Zur Überprüfung, ob ein Unternehmen fähig ist, eine Leistung zu erbringen wird ein Eignungsprofil erstellt, welches sich aus der Leistungsbeschreibung, den Zuschlagskriterien und den Ausführungsbedingungen ergibt. Mit dem neuen Vergaberecht wurde bereits versucht, die Vergabekriterien angemessener zu gestalten. So muss nach neuer Rechtslage ein Unternehmen nur noch das Doppelte vom Leistungsumfang des Auftrages als Mindestumsatz vorweisen. Die verschiedenen Verwaltungen seien jedoch viel zu heterogen um allumfassend präzise Festlegungen vorgeben zu können. Für innovative Beschaffung benötige es individuelle Vergabeverfahren. Öffentliche Auftraggeber müssen mit Interessenten in den Dialog gehen. Das Vergabeverfahren sei nicht alleinstehend zu betrachten.

Mittig am Mikrofon: Carl von Halem, Mitgründer und Geschäftsführer der CommneX GmbH
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Die Kompetenz von Startups ist es, einen Bedarf zu erkennen, bevor er vom Nutzer wahrgenommen wird.

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Carl von Halem

Einfachere Prozesse und mehr Transparenz

„Wir denken das jetzt mal auf die öffentliche Hand“, so erklärt Carl von Halem, Mitgründer und Geschäftsführer der CommneX GmbH, das Konzept seines Unternehmens. Die CommneX GmbH wurde gegründet, um eine umfassende Schnittstelle zwischen der öffentlichen Finanzverwaltung und dem Finanzmarkt zu etablieren. Bei einer Zielgruppe von 11.500 Kommunen scheint  der Bedarf riesig, allerdings sei zum Auftragsgewinn direkte Kommunikation mit den Entscheidern notwendig. „Dafür braucht es die richtige Vermittlung.“ Der Gründer wünscht sich eine Vereinfachung der Vergabeprozesse und mehr Transparenz. Die Verwaltung müsse offener werden und auch kleineren Unternehmen Vertrauen schenken. Doch auch die jungen Unternehmen müssen auf die Verwaltung zugehen: „Die Kompetenz von Startups ist es, einen Bedarf zu erkennen, bevor er vom Nutzer wahrgenommen wird“ – ein Auftrag für den aktuell noch kein Bedarf gesehen wird, wird auch nicht ausgeschrieben. Unternehmen müssen ihre Ideen also auch an die Verwaltung herantragen.

Matthias Berg, Leiter des Kompetenzzentrums innovative Beschaffung (KOINNO) wünscht sich Verständnis zwischen Startups und Verwaltung.
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„Hinsichtlich der Eignungskriterien müssen wir in den Dialog gehen.“

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Matthias Berg

Verwaltungen und Startups müssen in den Dialog gehen

Auch Matthias Berg, Leiter des Kompetenzzentrums innovative Beschaffung (KOINNO), sieht eine klare Zielgruppe mit Entscheidungskompetenz als wichtigen Faktor. Die Verwaltung muss eindeutig hinterfragen, welche Innovationen sie benötigt und welche ein zu hohes Risiko bergen. „Hinsichtlich der Eignungskriterien müssen wir in den Dialog gehen.“ Man müsse Verständnis füreinander aufbauen. Auf Seiten der Verwaltung würden Startups durch klare Bedarfsdefinitionen gehemmt, jedoch käme es nur zu einer Markterkundung, wenn ein klarer Bedarf festgelegt ist. Daher gilt auch hier: Startups müssen mit ihren Ideen auf die Verwaltung zugehen.

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Startups sollten durch die Gelder des Bundes profitieren

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Marc Skambraks

Ausschreibungen früher kommunizieren

Um den Markt einschließlich Startups überhaupt anzusprechen, will Marc Skambraks, Zentralstelle für IT-Beschaffung (ZIB) im Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums, Gesuche circa 18 Monate im Voraus ausschreiben. Die Größe des Auftrages soll früh genug kommuniziert und die Eintrittskriterien nach seiner Ansicht möglichst niedrig gehalten werden.  „Startups sollten durch die Gelder des Bundes profitieren“, denn nur so könne weitere Entwicklung gewährleistet werden.  Von Seiten der Verwaltung sollen Bedarfsbeschreibungen möglichst  offen formuliert und  die Ausschreibung funktional ausgestaltet werden. Weiterhin schlägt Skambraks vor, die Wirtschaftlichkeit der Startups durch ökonomische Berater prüfen zu lassen um Risiken besser abzuschätzen.

Innovation durch etablierte Unternehmen

 „Es hat keinen Sinn die Eignungskriterien generell runterzuschrauben“, hier müsse individuell entschieden werden, so Marc Papenburg, Leiter der Geschäftseinheit Zentraler Einkauf der Berliner Stadtreinigung. Der Verwaltung fehle es an Ressourcen, um eine volle Marktrecherche zu vollziehen, daher müsse man sich auf bewährte Projekte, Umsatz, Bestand, Risikokapital und Mitarbeiter eines Unternehmens stützen. „Innovation funktioniert nicht ohne Wirtschaftlichkeit.“ Papenburg sieht für Innovation nicht Startups im Fokus: „Per se macht ein Startup nicht zwangsläufig das bessere Produkt.“ Innovationspotenzial sieht er vor allem auch bei bereits etablierten Unternehmen.

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„Es hat keinen Sinn, die Eignungskriterien generell runterzuschrauben“

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Marc Papenburg

Einen Ansatz in Richtung „Startups First“ wird es in naher Zukunft nicht geben, da es im Rahmen des Vergaberechts gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen würde. Um eine ähnliche Ausnahmeregelung wie bei der Sozialförderung zu erzielen, müssten die EU-Richtlinien in puncto Vergabeförderung geändert werden.

Startups  für Aufträge der öffentlichen Hand?  - „A Long way to go“, meint Henrik-Christian Baumann von der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft Berlin zum Ende der Expertendiskussion. Auch in Zukunft wird es hier wohl nur in kleinen Schritten voran gehen.