Zukunftspanel
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Unzufriedenheit zum Fortschritt der Digitalisierung als Chance nutzen!

Erste Ergebnisse und Diskussion der Ergebnisse des Zukunftspanel Staat & Verwaltung 2019

Das Zukunftspanel ist eine einmalige Bestandsaufnahme zum Umsetzungsstand der Digitalisierung und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung und der Prioritäten der Entscheidungsträger*innen aller Verwaltungsebenen. Im Rahmen eines Presse- und Fachgesprächs am 28. November 2019 stellte Prof. Dr. Hammerschmid von der Hertie School die ersten Ergebnisse der Studie vor, die außerdem vor einem kleinen Publikum diskutiert wurden . Verwaltung der Zukunft stellt Ihnen die Kernergebnisse vor und ordnet die Entwicklungen ein.
Kurzpräsentation der Ergebnisse des Zukunftspanels Staat & Verwaltung 2019
Präsentation

Kurzpräsentation der Ergebnisse des Zukunftspanels Staat & Verwaltung 2019

Bestandsaufnahme zum Umsetzungsstand der Digitalisierung und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung

Die Behördenleitungen von 1346 Behörden (Bund, Ländern, Landkreisen, Städten und Gemeinden  über 20.000 Einwohner*innen) wurden angefragt, 309 Verwaltungen haben an der Befragung des Zukunftspanels 2019 teilgenommen (Rücklaufquote von 23 Prozent). Neben technologischen Themen fragt die Studie in 20 Fragen auch breiter gefasste Modernisierungsthemen wie Personal und Projektmanagement ab. Die Feldphase wurde am 15. November abgeschlossen.

Die Verwaltungen werden zu Trends in drei Themenbereichen befragt:

  1. Zukünftige Herausforderungen und Prioritäten

  2. Digitalisierung in Ihrer Behörde: Status Quo und Perspektiven

  3. Führung, Personal und Lernen

Prof. Dr. Gehard Hammerschmid von der Hertie School stellte im Rahmen des Pressegesprächs die Kernergebnisse des Zukunftspanels vor.
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Die Top-Prioritäten der Verwaltung: Digitalisierung, Personal, IT-Sicherheit

Die Einstiegsfrage des Zukunftspanels ist stets die gleiche: „Hinsichtlich welcher Herausforderungen sehen Sie den größten Handlungsbedarf für Ihre Behörde innerhalb der nächsten fünf Jahre?“

Dabei sind die Verwaltungen angehalten, ihre drei Top-Prioritäten anzugeben. Ganz vorn mit dabei sind die „Weiterentwicklung des E-Governments und Maßnahmen der Digitalisierung“. 74,8 Prozent der befragten Behörden gaben das E-Government als größte Herausforderung an. Im Vergleich zur Studie von 2016 ist hier eine radikale Steigerung im Bewusstsein der Verwaltung zu erkennen (um 32 Prozent gesteigert). Die Thematik um Budgeteinsparungen aus den letzten Jahren wird immer weniger relevant. Außerdem wurden demographieorientierte Personalpolitik, Attraktivität als Arbeitgeber und die Stärkung der IT-Sicherheit als große Herausforderungen herausgestellt.

Hinsichtlich welcher Herausforderungen sehen Sie den größten Handlungsbedarf für Ihre Behörde innerhalb der nächsten fünf Jahre?

Die Beteiligung und Einbindung des Bürgers ist im Stellenwert bei den Verwaltungen weiterhin sehr niedrig angesetzt. Hier sieht Dr. Johannes Ludewig ein Kulturproblem: „Die Verwaltungen denken immer noch nicht nutzerzentriert!“ Man müsse viel dichter an die heran treten, für die die Leistungen gemacht werden, mahnte der Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrates im Rahmen der Presseveranstaltung. International wären die Einbeziehung der Endnutzer*innen und anderer Ressorts längst Standard.

Top-Prioritäten der Behördenleitern deutscher Verwaltung
© Hertie School

Kein ausreichender Schutz

Neben Cyber-Sicherheit gaben die Befragten die IT-Konsolidierung, smarte Städte und Kommunen sowie digitale Souveränität als zentrale Themen an. Themen wie KI, Big Data, Internet der Dinge seien noch nicht ganz in der Verwaltung angekommen, erklärt Professor Hammerschmid. 50 Prozent der befragten Verwaltungen sehen sich nicht ausreichend vor Cyber-Attacken geschützt. Außerdem wünsche man sich im Bereich der IT-Sicherheit mehr behördenübergreifende Standards.

Relevanz von Reformtrends
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Es sind die anderen, die sich nicht ausreichend digitalisieren.

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Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid

Positive Dynamik in der Digitalisierung trotz Unzufriedenheit

Im Zuge des Onlinezugangsgesetztes sind positive Entwicklungen zu beobachten. Die Studie zeigt, dass mehr Budget für Digitalisierung eingesetzt wird und die Investitionen auch in Zukunft zunehmen werden. Die Anzahl der Verwaltungen, die an einer Digitalstrategie arbeiten ist ebenfalls gestiegen. 70 Prozent der Befragten planen, sich dem Portalverbund anzuschließen. Zum Vergleich: Im letzten Jahr waren es 50 Prozent.

Trotz dieser positiven Entwicklung sind die deutschen Verwaltungen mit dem digitalem Fortschritt unzufrieden: auf Bundesebene sahen 60 Prozent die Entwicklung als nicht zufriedenstellend, auf Kommunalebene beinahe 50 Prozent. Auffällig sei, dass die Verwaltungen die eigene Behörde stets fortschrittlicher ansähen, als die Behörden anderer Ebenen:  „Es sind die anderen, die sich nicht ausreichend digitalisieren“, erklärt Professor Hammerschmid und fordert einen besseren Dialog zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Man müsse diese Unzufriedenheit nutzen, um die Digitalisierung weiter voranzutreiben, sagt Dr. Ludewig. Auch Ernst Bürger, Unterabteilungsleiter für Verwaltungsdigitalisierung im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, sieht die enorme Steigerung der politischen Awareness und den politische Druck durch die gesetzte Zeitfrist auf das Jahr 2022 als positiv.

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Zugbrücke hoch! Wir machen alles allein! - ist immer noch Praxis in den deutschen Verwaltungen.

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Dr. Johannes Ludewig

Politischer Wille und föderale Zusammenarbeit

Die Digitalisierung verwaltungsinterner Prozesse sei wichtiger als digitale Verwaltungsleistungen. 78,6 Prozent der befragten Behördenleitungen wünschen sich hier eine höhere Priorisierung durch die Bundesregierung. Durch das Onlinezugangsgesetz sei lediglich festgelegt, die Kundenschnittstellen zu digitalisieren, erklärt Herr Bürger:  „Die 1 zu 1- Umsetzung des OZG wird uns so nicht weiter bringen, allerdings sollten wir die politische Aufmerksamkeit nutzen, um die Prozesse vollständig zu digitalisieren.“

Um die Umsetzung der Digitalisierung weiter voranzutreiben, fordern die Behörden laut Befragung klaren politische Willen, eine bessere föderale Zusammenarbeit und mehr Budget. Die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft scheint für die Verwaltung kaum relevant. Hier bestehe weiterhin die Ansicht, die Verwaltung könne die Digitalisierung selbst lösen: „Zugbrücke hoch! Wir machen alles allein! - ist immer noch Praxis in den deutschen Verwaltungen“, führt Dr. Ludewig aus.

Unter anderem kommentierte Dr. Johannes Ludewig, Vorsitzender des Nationalen Normenkontrollrates, die Ergebnisse des Panels.
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Multi Stakeholder-Ansatz zeigt in Digitallaboren große Erfolge

Die gewünschte föderale Zusammenarbeit ist in den Digitallaboren des Bundes bereits Praxis, erklärt Unterabteilungsleiter Ernst Bürger. Die Labore bringen Fachabteilungen, verschiedene Ressorts, Designer, IT-Experten und externe Beteiligte wie beispielsweise Bürger und Unternehmen zusammen, um Prozesse neu zu denken und die digitale Umsetzung entsprechend zu planen. Laut Onlinezugangsgesetz ist eine Nutzerzentrierung der Leistungen gar nicht verlangt, merkt Herr Bürger an. Die Planungsphase für die digitalen Verwaltungsleistungen sei Ende 2019 beendet. Im nächsten Jahr können die Projekte in der Fläche umgesetzt werden. Aus den 575 Leistungen haben die Labore 100 Projekte definiert, davon sind 30 bereits gestartet und könnten bis Mitte des Jahres referenzimplementiert werden.

Die vollständigen Ergebnisse der Studie sollen Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden. Eine Erweiterung des Zukunftspanels auf die D-A-CH-Region soll noch vor dem 8. Zukunftskongress Staat & Verwaltung erscheinen. Das Zukunftspanel ist eine Kooperation zwischen der Wegweiser GmbH und der Hertie School und wurde mit Unterstützung von Deloitte durchgeführt.